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Hebammen in Deutschland: Sorgen, Hürden, Perspektiven

Hebammen in Deutschland: Sorgen, Hürden, Perspektiven

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Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
3 Min.Lesezeit

Pro Jahr erblicken in Deutschland rund 700.000 Babys das Licht der Welt – und jede Schwangerschaft und Geburt verläuft anders. Auch die Zeit nach der Entbindung, das Wochenbett, gestaltet sich individuell und ganz nach den Bedürfnissen von Mutter und Kind. Die Hebamme ist in dieser Lebensphase eine der wichtigsten Bezugspersonen, garantiert sie doch eine umfassende Betreuung und Gesundheitsförderung. Doch die geburtshilfliche Versorgung hat mit immer mehr Herausforderungen zu kämpfen – das erschwert die Eins-zu-eins-Betreuung und hat Folgen für den gesamten Berufsstand. 5 Fragen, 5 Antworten:

 

Welche Voraussetzungen braucht es für den Hebammenberuf?

Umfassende Veränderungen sind mit dem Hebammenreformgesetz zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Kern der damaligen Neuordnung war die Modernisierung der Ausbildung: So werden Hebammen seit nun über vier Jahren im Rahmen von Regelstudiengängen akademisch ausgebildet. Da dieses duale Studium europaweit gilt, können sie mit einem entsprechenden Bachelorabschluss später in jedem anderen Mitgliedsstaat arbeiten. In der Regel sind die in Deutschland angebotenen Studiengänge auf eine Dauer von mindestens dreieinhalb Jahren angelegt – an manchen Hochschulen besteht jedoch auch die Chance, das Studium in Teilzeit zu absolvieren. Grundidee dieser Reform ist eine bestmögliche Verzahnung von Theorie und Praxis: In beiden Bereichen umfasst die Ausbildung jeweils mindestens 2.200 Stunden, wobei die praktische Arbeit in Kliniken, aber auch bei freiberuflichen Hebammen stattfinden kann. Für den Zugang und die Bewerbung zum Hebammenstudium sind verschiedene Voraussetzungen notwendig: Dazu zählen unter anderem eine mindestens zwölfjährige allgemeine Schulausbildung oder der erfolgreiche Abschluss einer Berufsausbildung, etwa in den Bereichen der Gesundheits- und Krankenpflege.    

 

Wie steht es um den Versicherungsschutz?

Neben festangestellten Hebammen, die in Kliniken, Geburtshäusern oder Hebammenpraxen tätig sind, arbeitet ein Großteil der Geburtshelfenden hierzulande freiberuflich. Als Beleghebammen schließen sie einen Vertrag mit Kliniken oder Geburtshäusern ab und arbeiten ebenfalls im Schichtdienst auf den Wochenstationen und im Kreißsaal. Allerdings genießen sie den Status der Selbstständigkeit, was sich in diesem verantwortungsvollen Beruf auch auf den Versicherungsschutz auswirkt. Freiberufliche Hebammen tragen die Kosten für ihre Sozial- und Rentenversicherung selbst. Aufgrund des hohen Risikos, das der Hebammenberuf mit sich bringt, sieht der Gesetzgeber zudem den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung vor – erst dann ist der Start in die Selbstständigkeit möglich. Beim Deutschen Hebammenverband (DHV) weiß man um die Schwierigkeit, als Geburtshelferin einen angemessenen Versicherungsschutz zu erhalten: Mit Wirkung zum 01. Juli 2024 hat der Verband daher einen Vertrag unterzeichnet, der die Absicherung für die über 22.000 freiberuflichen Hebammen, die im DHV organisiert sind, garantiert  – und zwar bis Mitte 2027. Beim Vertragspartner handelt es sich um ein Versicherungskonsortium aus fünf Unternehmen unter Führung der Versicherungskammer. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Abschluss des neuen Vertrages unseren Mitgliedern Planbarkeit, ein sicheres Fundament und einen wichtigen Schutz für die nächsten Jahre bieten können“, so Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des DHV.         

 

Was bedeuten die zunehmenden Schließungen von Geburtskliniken?

Frauenärzte und Hebammen sind für Schwangere die ersten Ansprechpartner, wenn es um die individuell bevorzugte Entbindungsart geht. Neben speziellen Geburtshäusern und der Hausgeburt entscheiden sich Frauen heute in der Mehrzahl für die klassische Geburt in einer Geburtsklinik. Diese allerdings verschwinden in Deutschland mehr und mehr von der Landkarte – besonders in strukturschwachen Regionen müssen werdende Mütter teils lange Anfahrtswege bis zur nächsten Station auf sich nehmen. Der Deutsche Hebammenverband schlägt deshalb Alarm und fordert: „Stoppt die Schließung von Geburtskliniken!“ Andrea Ramsell, Präsidiums­mitglied und Beirätin für den Angestellten­bereich, fasst die Misere zusammen: „Die um sich greifende Schließung von geburtshilflichen Kliniken ist ein Skandal. Seit Jahren warnt der Deutsche Hebammenverband vor den Folgen.“ Wenn diese Einrichtungen durch wirtschaftlichen Druck ungeplant und unkontrolliert schließen müssten, bedeute das für Schwangere und Gebärende, dass sie unzumutbar weite Wege, überfüllte Geburtsstationen und völlig überlastetes Personal an anderer Stelle in Kauf nehmen müssten. „Eines ist klar“, so Andrea Ramsell, „wer eine Reform vorantreiben möchte, die ihren Namen verdient, muss die Finanzierung der Geburtshilfe auf den Bedarf von Frauen und Familien ausrichten und nicht an falschen finanziellen Anreizen festhalten.“

 

Inwiefern beeinflusst die Krankenhausreform die Geburtshilfe?

Im Zuge der Krankenhausreform sollen die Geburtshilfeabteilungen in den Kliniken unterstützt und eine bessere Behandlungsqualität ermöglicht werden. „Die klinische Geburtshilfe, von der jährlich immerhin fast 1,6 Millionen Menschen direkt betroffen sind, braucht eine Qualitätsoffensive und deutlich mehr Aufmerksamkeit in der Krankenhausplanung“, sagt auch Katharina Desery von Mother Hood e. V., der deutschlandweit größten Elternorganisation für eine bessere Geburtshilfe. Die geplante Reform werde die unkontrollierten Schließungen von Geburtsstationen und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind jedoch nicht aufhalten können. Denn Fallzahlen, so ist man sich bei der Organisation sicher, dürften in der Geburtshilfe kein entscheidendes Kriterium sein, da diese für die Bewertung von geburtshilflicher Qualität ungeeignet seien. „Je mehr, desto besser stimmt für die Geburtshilfe nicht“, bringt es Katharina Desery auf den Punkt. Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fasst unter anderem neue Vorgaben bei der Mindestzahl von Entbindungen pro Klinik ins Auge. Experten befürchten bei einer zunehmenden Zentralisierung weitere Klinikschließungen und die daraus folgende Verschlechterung der Versorgung für Schwangere.

 

Weshalb besteht ein Hebammenmangel?

Gute Rahmenbedingungen für die Ausübung des Hebammenberufs zu schaffen – mit dieser Zielsetzung ist das Hebammenreformgesetz vor nun über viereinhalb Jahren in Kraft getreten. Neben einer Modernisierung der Ausbildung und der stärkeren wissenschaftlichen Ausrichtung standen dabei auch Verbesserungen bei der Haftpflichtversicherung auf der Agenda. Und dennoch fehlt es heute vielerorts an Geburtshelferinnen. Das allerdings liegt nicht an einer geringen Nachfrage: Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Bewerbungen für Studienplätze das Angebot an den Hochschulen sogar übersteigen. Vielmehr sind es die Arbeitsbedingungen, die viele Hebammen bereits zum Ende ihres Studiums an die Belastungsgrenze führen. Das formulierte Ziel, dass sich in der wesentlichen Phase der Geburt eine Hebamme um eine Frau kümmert – so wie es etwa in Großbritannien oder in den skandinavischen Ländern die Regel ist – geht hierzulande nicht auf. Eher seien es zwei bis vier Frauen, die es parallel zu betreuen gelte, wie vom Deutschen Hebammenverband zu erfahren ist. Grund dafür sei auch eine Über- und Fehlversorgung: Während bei gesunden Müttern und Kindern zu viele unnötige Untersuchungen durchgeführt werden, fehle es an Kapazitäten für Frauen, die diese wirklich benötigten. Die Umsetzung eines Eins-zu-eins-Betreuungsschlüssels könne dem Verband zufolge den Hebammenmangel bekämpfen.

 


Quellen: Deutscher Hebammenverband e. V., Mother Hood e.V.

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