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„Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war“

„Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war“

Willkommen im Vogtlandkreis! Als größte Ziegelstein-Brücke der Welt bildet die Göltzschtalbrücke bei Netzschkau eine markante Sehenswürdigkeit der Region ab. Foto: © Animaflora PicsStock - stock.adobe.com // © hausarzt-elsterberg.de
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Viele Ärzte, die den Ruhestand anstreben, haben in strukturschwachen Regionen Schwierigkeiten, eine Nachfolge für ihre Praxis zu finden. Besonders Hausärzte sind von dieser Entwicklung betroffen, denn der Beruf des Landarztes genießt bei der jüngeren Generation ein eher unliebsames Image. Doch es gibt auch Gegenbeispiele: Der Allgemeinmediziner Max Viehhäuser hat sich in seiner ländlichen Heimatregion niedergelassen. Dort genießt er viele Freiheiten, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie einen großen Vertrauensvorschuss seiner Patienten.    

Saftige Weiden und idyllisches Bergpanorama, eine hilfsbereite Dorfgemeinschaft und jede Menge Zeit für die Patienten – nicht selten wird der Beruf des Landarztes in TV-Serien oder luftig-leichten Romanen so dargestellt. Weniger harmonisch gestaltet sich jedoch der Blick auf eine Entwicklung, die im echten Leben stattfindet. Die Wartezimmer sind voll und die Telefonleitungen häufig besetzt: Es fehlt an Nachwuchs in den ländlichen Regionen. Das unterstreicht eine Untersuchung der gemeinnützigen Robert-Bosch-Stiftung, die für das Jahr 2035 rund 11.000 unbesetzte Hausarztstellen in Deutschland prognostiziert: Nahezu 40 Prozent der Landkreise droht somit eine hausärztliche Unterversorgung. Auf der Suche nach den Gründen ist zum einen der demografische Wandel zu nennen: Immer mehr erfahrene Ärzte verabschieden sich in den Ruhestand; über 35 Prozent der heutigen Hausärzte sind hierzulande älter als 60 Jahre. Hinzu kommt, dass die nachrückende Generation zahlenmäßig geringer ist und gleichzeitig meist andere Vorstellungen vom Arbeitsleben hat. Eine Selbstständigkeit kommt für viele angehende Mediziner nicht infrage – statt einer Niederlassung streben sie vielmehr geregelte Arbeitszeiten in einer Festanstellung an. Fehlende Infrastruktur, geringe Einkaufsmöglichkeiten und nur wenige kulturelle Angebote lassen eine Tätigkeit in ländlichen Regionen unattraktiv erscheinen.

Max Viehhäuser aus dem sächsischen Elsterberg (rund 4.000 Einwohner) kennt all diese Argumente und Vorbehalte. Und dennoch hat sich der Allgemeinmediziner im Frühjahr 2022 in seiner Heimatregion mit eigener Praxis niedergelassen. Der 34-Jährige blickt auf die Planungsphase zurück: „Das war eine sehr intensive Zeit, weshalb ich mir damals bewusst ein halbes Jahr freigenommen habe, um mich voll und ganz auf die Vorbereitung fokussieren zu können. Eine Grundüberlegung lautete auch bei mir: Wohin möchte ich mit meiner Praxis – Stadt oder Land? Während der Phase meiner Assistenzarztzeit hatte es sich aber schon herauskristallisiert, dass es meine Frau und mich zurück in die Heimat ziehen würde.“ Nicht zuletzt hat Max Viehhäuser, der sich selbst als „Dorfkind aus der Region“ bezeichnet, im Zuge vieler Reisen festgestellt, dass sein Herz eben an der Heimat hängt. „Insofern war die Entscheidung für die Praxis auf dem Land vor allem der allgemeinen Lebensperspektive geschuldet“, erklärt der Mediziner.

„Traue ich mir das wirklich zu?“

Während sich immer weniger Haus- und Fachärzte als freie Unternehmer niederlassen möchten, wächst derweil die Zahl an Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren, in denen Ärzte in Festanstellung arbeiten. Urbane Strukturen und eine ausgewogene „Work-Life-Balance“ sind die Faktoren, die junge Menschen zudem in die Städte locken. Auf dem Land wiederum müssen Patienten aus diesem Grunde vermehrt weite Wege zur nächsten Arztpraxis auf sich nehmen. Das verändert auch die Art der Behandlung: Die persönliche Verbundenheit zum Hausarzt, den man über Jahre hinweg aufsucht, schwindet zusehends in den ländlichen Regionen. Auch Max Viehhäuser hat sich im Vorfeld ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob eine inhabergeführte Einzelpraxis die beste Lösung ist. Seine Erwägungen: „Traue ich mir das wirklich zu? Mache ich das alleine oder ist eine Praxisgemeinschaft die Lösung? Möchte ich neu gründen oder eine bestehende Praxis übernehmen?“ Die Vorteile einer Übernahme mit bestehendem Patientenstamm und eingerichteten Räumlichkeiten seien zwar nicht von der Hand zu weisen, für Max Viehhäuser sollte es jedoch die Neugründung sein: „Ich wollte weder alte Geräte, noch alte Gewohnheiten der Patienten übernehmen“, umschreibt der Allgemeinmediziner die damaligen Gedankenspiele. „Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war.“

Die modernen Räumlichkeiten der Familienpraxis Viehhäuser befinden sich im historischen Postamt von Elsterberg und zeichnen sich durch eine angenehme und einladende Atmosphäre aus. Das Praxisteam setzt bei der Behandlung auf schulmedizinische Kriterien und unterstützt die Patienten jederzeit in ihrer selbstbestimmten Entscheidungsfindung. Digitalisierte Organisationsstrukturen erleichtern zudem viele Abläufe und verfolgen ein klares Ziel: Mehr Zeit für die Behandlung unter jederzeit angenehmen Bedingungen. Der Inhaber blickt zurück: „Gerade aufgrund der Neugründung gab es unheimlich viele Detailfragen zu klären. Das reichte vom Grundriss bis hin zur Strukturierung der ersten Woche. Hinzu kamen die Personalsuche und die Beschaffung der Praxiseinrichtung.“ Und auch nach dem Start habe es wöchentlich neue Herausforderungen gegeben, die es im Laufe der Praxisarbeit zu bewältigen galt. Der Lohn dafür: Jede Menge Selbstbestimmtheit und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Max Viehhäuser erkennt einen hohen Wert darin, in eigener Praxis präventiv und stets im Sinne der Gesundheit seiner Patienten arbeiten zu können: „Einzelner Hausarzt in einer ländlichen Region – es gibt kaum einen Beruf mit mehr Wertschätzung. Die Patienten sind sehr dankbar. Ich genieße einen unheimlich großen Vertrauensvorschuss.“

Viele Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten

Überlegungen, wie junge Menschen für den Beruf des Landarztes zu gewinnen sind, gibt es viele: Gemeinden könnten etwa eine Immobilie als Wohnung und Praxis zum günstigen Preis für den Start zur Verfügung stellen. Auch die Unterstützung des Ehemanns oder der Ehefrau bei der Jobsuche ist Teil der Diskussion. In manchen Bundesländern werden darüberhinaus Investitionszuschüsse ausgelobt, sollten sich Ärzte in unterversorgten Regionen niederlassen. In ausgewählten Landkreisen ist es möglich, Stipendien während des Studiums zu erhalten. Max Viehhäuser schätzt diese politischen Maßnahmen und Fördermöglichkeiten durch die Städte und Gemeinden, betont aber auch: „Diese Hilfsmittel greifen mittlerweile zwar, doch ich fürchte, sie greifen zu spät. Medizinstudenten, die aufgrund dieser Förderungen jetzt eine Tätigkeit als Landarzt anstreben, werden – mit Blick auf Studiendauer plus Facharztausbildung – erst in rund zehn Jahren in dem Beruf arbeiten. Da wird noch eine große Lücke entstehen.“ Neben den genannten politischen Maßnahmen hebt der Landarzt daher auch das Engagement auf kleinerer Ebene hervor. Man müsse verstärkt auf sich und die jeweilige Region aufmerksam machen: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut das funktioniert. Ich führe meine Praxis hier in Elsterberg seit zwei Jahren und durfte bereits zwei Ärzte zur Hospitation begrüßen, die nun ebenfalls überlegen, sich niederzulassen. Es waren auch drei Studentinnen, unter anderem im Rahmen ihrer Famulatur, zu Gast; ab Juli 2024 ist eine Assistenzärztin für ein halbes Jahr zur Weiterbildung hier.“

Auch die sogenannte Landarztquote, die es Bewerbern in derzeit zehn Bundesländern unabhängig von der Abiturnote ermöglicht, ein Medizinstudium aufzunehmen, ist ein viel diskutiertes Werkzeug zur Bekämpfung der regionalen Unterversorgung. Studenten verpflichten sich im Rahmen dieser Quote vertraglich dazu, später im ländlichen Raum in Niederlassung oder Anstellung zu praktizieren. Kritikern, die befürchten, das Instrument könne das Medizinstudium verwässern, hält Max Viehhaus entgegen: „Diese Sorge teile ich überhaupt nicht. Meines Erachtens sollte der Numerus Clausus nicht der entscheidende Faktor sein, um ein Medizinstudium beginnen zu dürfen. Natürlich muss man fit im Kopf sein, doch mindestens genauso wichtig sind Fleiß, Empathie und der Wille, sich kümmern zu wollen.“ Allerdings sei es ohne Frage eine weitreichende Entscheidung, die junge Menschen in diesem Falle direkt nach dem Abitur zu treffen haben – denn für das medizinische Arbeiten auf dem Land brauche es neben den genannten Soft Skills eben auch die Bereitschaft für variierende Arbeitszeiten, regelmäßige Hausbesuche und den organisierten kassenärztlichen Bereitschaftsdienst. „Interessierten Studenten würde ich immer raten, sich bereits parallel zum Ausbildungsweg viele Praxen und somit ganz unterschiedliche Arbeitsweisen anzusehen“, weiß Max Viehhäuser aus Erfahrung. „Da ist es empfehlenswert, sich ein persönliches Best-of zusammenzustellen und dann zu schauen, welcher Behandlungsstil am meisten zusagt. Soll es tatsächlich eine Tätigkeit auf dem Land werden, bietet es sich zudem im Studium oder während der Assistenzarztzeit an, Gleichgesinnte auszumachen. Vielleicht liebäugelt jemand mit dem Plan, sich in der selben Region niederzulassen. Dann kann man die Sache gemeinsam angehen.“ Die Ausführungen des engagierten Landarztes zeigen: Zur künftigen Sicherung der hausärztlichen Versorgung in strukturschwachen Regionen braucht es gebündelte Kräfte.

hausarzt-elsterberg.de

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