Zum Hauptinhalt
Couragiert und entschlossen handeln: Erste Hilfe am Kind

Couragiert und entschlossen handeln: Erste Hilfe am Kind

Foto: © akf - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Fremdkörper in den Atemwegen, Pseudokrupp, Fieberkrämpfe oder kleine und größere Verletzungen: Die Erstversorgung von Kindernotfällen kann besonders bei frischgebackenen Eltern Überforderung und Stress auslösen. Auf einer speziellen Online-Plattform bietet das Deutsche Rote Kreuz Kurse an, in denen Eltern das Wichtigste über Erste Hilfe im Alltag und lebensrettende Sofortmaßnahmen erfahren. Auch Tipps und Hilfen zur Unfallvorbeugung werden in den verschiedenen Modulen des Elterncampus vermittelt. Die wichtigste Botschaft dabei ist: Bei der Ersten Hilfe kann man nichts falsch machen – nur wenn man nichts unternimmt!

Junge Eltern haben ganz unterschiedliche Fragen und Anliegen, wenn es um ihre neue Rolle als Mama und Papa geht. Ob im Laufe der Schwangerschaft, rund um die Geburt oder während der ersten Wochen und Monate mit dem Baby: Der Start ins Leben mit dem Nachwuchs stellt eine aufregende Zeit dar und ist gleichzeitig auch mit der ein oder anderen Heraus- und Überforderung verbunden. Die Onlinekurse des DRK Elterncampus holen junge oder werdende Eltern dort ab, wo sie aktuell stehen und orientieren sich dabei an ihren Bedürfnissen. So drehen sich die Themen unter anderem um Schwangerschaft und Geburt, Ernährung und Beikost oder auch Babys erstes Jahr. Dabei vermitteln die virtuellen Live-Kurse nicht nur wertvolles Wissen; die teilnehmenden Eltern können per heimischem Laptop oder Tablet auch mit anderen Eltern sowie den Vortragenden in Interaktion treten. Johanna Debletz, Referentin Familienbildung beim Deutschen Roten Kreuz, zeichnet die Entstehungsgeschichte des DRK Elterncampus nach: „Wir sind 2020 im Bundesverband des DRK gestartet, da während der Pandemie unsere Unterstützungsstrukturen und Austauschformate für Eltern weggebrochen sind. Gerade Familien mit Neugeborenen fehlte damals der Kontakt zu anderen Eltern. Aus dieser Not ist damals sehr schnell ein Prototyp für den heutigen Elterncampus entstanden.“ Eine anfängliche Skepsis sei damals durchaus vorhanden gewesen – Wie werden die Onlinekurse angenommen? Gibt es bei den Eltern überhaupt einen Bedarf? Und wie geht es nach der Coronapandemie weiter? „Da haben wir in den letzten Jahren allerdings sehr gute Erfahrungen gemacht“, freut sich Johanna Debletz. „Es handelt sich um ein Angebot, das Bestehendes gut ergänzt und gleichzeitig viele Vorteile mit sich bringt.“ So freuen sich die interessierten Eltern etwa, dass sie dank des digitalen Formats für die Teilnahme keine Fahrtwege einplanen oder Babysitter beauftragen müssen – die Kurse lassen sich gut in den Familienalltag integrieren.

Ein großer Teil der Angebote widmet sich dabei dem wichtigen Thema der Ersten Hilfe am Kind. Unter der Prämisse „Bereit sein, wenn es darauf ankommt!“ gewähren die entsprechenden Online-Kurse des DRK Elterncampus einen grundlegenden Einblick in die Sofortmaßnahmen bei Säuglingen und Kindern. Während die Teilnehmenden im Grundlagenmodul „Erste Hilfe im Alltag – Häufige Unfall- und Notfallarten“ erfahren, wie sie angemessen auf kleinere Notfälle im Familienalltag reagieren, hält das weitere Angebot „Kindernotfälle – Lebensrettende Sofortmaßnahmen“ elementare Hilfestellungen für akute Situationen wie Atemwegsprobleme, allergische Schocks oder Vergiftungen bereit. „Junge Eltern starten erfahrungsgemäß mit den ein oder anderen Unsicherheiten und Fragezeichen in ihren neuen Lebensabschnitt“, weiß Johanna Debletz. „Vielen Herausforderungen begegnen sie dabei zum ersten Mal. Da ist es umso gewinnbringender, unmittelbar von anderen Eltern zu hören, dass in deren Alltag auch nicht von heute auf morgen alles reibungslos ablief.“ Der Austausch von Erfahrungen stellt für die jungen Mütter und Väter somit einen echten Mehrwert dar, wie die DRK-Referentin verdeutlicht: „Ich erinnere mich an einen Kurs, der das Thema Schlafbegleitung beleuchtet hat. Da haben die Eltern zum Beispiel von ihren kreativen Ideen berichtet, wie sie es schaffen, mit den Kindern zeitig Zähne zu putzen. Eine hilfreiche und gegenseitige Inspiration.“

Ängste nehmen, Kopfkino abschalten

Wenn es allerdings um Wundversorgung, Tierbisse, das Verschlucken von Kleinteilen oder Fieberkrämpfe geht, sind es nicht nur kleine Unsicherheiten, die sich bei vielen Eltern oder auch Großeltern einstellen. Vielmehr umtreibt sie die große Sorge, in einer Notfallsituation nicht richtig zu reagieren oder gar durch ihr Handeln die Lage zu verschlimmern. Der Onlinekurs „Kindernotfälle – Lebensrettende Sofortmaßnahmen“ ist daher speziell darauf ausgerichtet, den Teilnehmenden das Vertrauen und die notwendigen Fähigkeiten mit auf den Weg zu geben, damit sie in Notfallsituationen couragiert und entschlossen vorgehen – fachkundige DRK-Kursleiter und -leiterinnen geben darin ihr Wissen weiter und beantworten individuelle Fragen. Einer von ihnen ist Sevrien Kuntzsch, Rettungssanitäter sowie „Erste Hilfe“- und „Erste Hilfe am Kind“-Ausbilder vom DRK-Bildungswerk Eifel-Mosel-Hunsrück. Mit seiner über 20-jährigen Erfahrung möchte er vor allem Sicherheit vermitteln: „Manche Eltern treten in den Kursen eher weniger in den Dialog, lassen vielleicht auch die Webcam aus und möchten vor allem die für sie wichtigen Informationen mitnehmen. Andere wiederum stellen viele Fragen oder bringen eigene Erfahrungen mit ein – per Chatfunktion oder über das geöffnete Mikrofon.“ Um Unsicherheiten und Ängste ablegen zu können, braucht es letztlich eine solche Vorbereitung auf den Ernstfall. Verschluckt ein Kind etwa einen Fremdkörper und gelangt dieser in die Atemwege, ist ein rasches und beherztes Handeln gefragt: Kind über das Knie legen und fünf Schläge zwischen die Schulterblätter verabreichen, so die entsprechende Maßnahme. „Gerade dieses Thema bildet für viele Eltern eine Angstsituation ab, die für jede Menge Kopfkino sorgt“, berichtet der Rettungssanitäter. „Daher ist es auch fester Bestandteil der Kurse.“ Weitere häufige Fragen drehen sich laut Kuntzsch um die Anzeichen für Pseudokrupp und Krampfanfälle sowie das schwerwiegende Thema Reanimation. „In den Erste Hilfe-Kursen des DRK Elterncampus möchten wir den Müttern und Vätern die Angst nehmen, sie könnten beim Versorgen ihrer Kinder etwas verkehrt machen. Dazu zählt übrigens auch die Unsicherheit, in welchen Fällen überhaupt ein Notruf abzusetzen ist“, so Sevrien Kuntzsch. Das Fragen nach Hilfe, so mahnt er, dürfe jedoch nie ein Tabu sein – können Eltern einen Ernstfall nicht alleine bewältigen, sei der Notruf 112 immer der nächste unverzichtbare Schritt.

Meist geraten Kinder durch Unfälle in eine Notlage, allerdings nicht, wie so oft vermutet, im Straßenverkehr, sondern im häuslichen Umfeld, wo sich rund 60 Prozent aller Unfälle ereignen: Da werden Putzmittel nicht ordnungsgemäß weggesperrt, heiße Herdplatten bleiben kurz unbeaufsichtigt und herausgezogene Schubladen laden zum Klettern ein. Je älter das Kind, desto größer der Bewegungsradius – und auch die Neugierde! Alltagsstress und -hektik machen es zudem kaum möglich, den Nachwuchs jede Minute im Auge zu behalten. Der erfahrene Rettungssanitäter Sevrien Kuntzsch erinnert sich an einen besonders tragischen Einsatz: „Da hat ein vierjähriges Kind unbemerkt die Haustüre geöffnet, ist auf das benachbarte Grundstück gelangt und dort in einen Teich gefallen. Es ist ertrunken. Das Kind war mit hoher Wahrscheinlichkeit nur für einen Bruchteil von Sekunden unbeaufsichtigt.“ Laut Kuntzsch gehe es nicht darum, den Nachwuchs permanent in Watte zu packen. Auch wolle er in seinen Erste Hilfe-Kursen nicht vermitteln, dass hinter jeder Ecke eine Gefahr lauern könne: „Die Kinder dürfen auch mal fallen, sie sollen ihre Erfahrungen machen, um selbstständig zu werden. Wichtig ist, dass all dies in einem sicheren Rahmen geschieht. Bei einem zu riskanten Umfeld ist es meine Aufgabe als Kursleiter, dies deutlich zu machen.“ Informationen zu Treppengittern, Schutzvorrichtungen für spitze Möbelkanten oder Steckdosen sowie zur Verriegelung von Schränken, Schubladen und Backofentüren sind deshalb weiterer Bestandteil der Erste Hilfe-Kurse des DRK Elterncampus.    

Auf Körpersprache des Kindes hören

Die virtuellen Angebote des DRK orientieren sich an dem bewährten Rotkreuzkurs „Erste Hilfe am Kind“. „Im Gegensatz zu diesen standardisierten Präsenzveranstaltungen möchten wir uns mit dem Elterncampus und den zeitlich kompakten Kursen noch bewusster an junge Mütter und Väter richten“, erklärt Johanna Debletz. „Dabei versuchen wir, uns bestmöglich auf diese Zielgruppe einzustellen, um so genau die Themen zu behandeln, die bei den Eltern gerade relevant sind.“ Aus diesem Grunde werden bestehende Formate fortlaufend um neue ergänzt, damit aktuelle Bedarfe abgedeckt sind. Dazu zählen auch saisonale Aspekte wie Fragen zu Insektenstichen, Zeckenbissen, Hitzeerschöpfungen und Sonnenbränden im Sommer sowie zu Unterkühlungen, Erfrierungen und Verbrühungen mit Heißgetränken in der kalten Jahreszeit.    

Ob nun kleinere Verletzungen beim Toben, ungeahnte Krankheitsverläufe oder ernste Unfälle: Grundlage einer guten Ersten Hilfe ist immer das Wissen, dass Kinder in Notfällen anders reagieren als Erwachsene. Unbekannte Geräusche oder auch Gerüche, wie etwa von Desinfektionsmitteln, können ihnen in dieser völlig neuen Situation Angst bereiten. Liegt ein Kind zur Versorgung auf dem Boden, verstärkt diese Perspektive die ungewohnte Lage. Auch fehlen Babys und Kleinkindern die passenden Worte, um Schmerzen oder Gefühle äußern zu können. Sevrien Kuntzsch rät Eltern daher, jederzeit auf die Körpersprache zu achten: „Da lassen sich bereits viele mögliche Hinweise herauslesen. Ein Baby, das sehr laut schreit und den Körper überstreckt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit Schmerzen. Zieht es dabei die Beine an, ist das Leiden in der Bauchgegend zu lokalisieren; greift sich ein Baby in Verbindung mit einer Fiebererkrankung wiederholt ans Ohr, lässt sich wiederum erahnen, dass eine Mittelohrentzündung der Grund ist. Ein zusätzlicher Anhaltspunkt für Stress kann das Vermeiden von Augenkontakt sein.“ Mit der Zeit, das verdeutlicht Kuntzsch in seinen Kursen ebenfalls, entwickeln Eltern sehr gute Antennen für die Signale ihres Kindes. Und auch wenn sie nicht alle Beschwerden selbst heilen können – mit kühlem Kopf und umfassenden Erste Hilfe-Kenntnissen sind Mama und Papa ohnehin die beste Unterstützung für ihre Kleinen.

drk-elterncampus.de

Neuer Vereinsvorstand und Aufsichtsrat gewählt
JHV 2024

Neuer Vereinsvorstand und Aufsichtsrat gewählt

Am 21. August 2024 fand in der Hauptverwaltung der PVS in Mülheim an der Ruhr die Jahreshauptversammlung des Privatärztliche VerrechnungsStelle Rhein-Ruhr/Berlin-Brandenburg e. V. statt.

Mehr erfahren
Notfälle bei Schnee, Eis und Kälte
Erste Hilfe in der Winterzeit

Notfälle bei Schnee, Eis und Kälte

Mit sinkenden Temperaturen steigt das Risiko für bestimmte Unfälle und Verletzungen – sei es beim Skifahren, auf zugefrorenen Gewässern oder in der Silvesternacht.

Mehr erfahren
Ausgabe: 04/2024

Titelthema – Erste Hilfe