Wie lässt sich die Emission von Treibhausgasen reduzieren oder gar vermeiden? Wie berechne ich meinen CO2-Fußabdruck realitätsnah? Und wer berät mich zu zertifizierten Klimaschutzprojekten? Fragen, die sich immer mehr Unternehmen hierzulande stellen. Antworten darauf hat Andreas Weckwert, Geschäftsführer von natureOffice: Als Partner in Sachen freiwilliger Kompensationsdienstleistung unterstützt seine zu 100 % unabhängige Klimaschutzagentur Unternehmen jeglicher Branche und Größe. Gleichzeitig bedient natureOffice eigene Projekte, die ein Engagement über den CO2-Ausgleich hinaus ermöglichen.
Klimaneutrale Prozesse zeichnen sich durch einen entsprechenden Ausgleich ermittelter CO2-Emissionen aus. Doch wie lässt sich diese Idealvorstellung eines Gleichgewichts der Atmosphäre erreichen und gleichzeitig auf Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen anwenden? In der Wiesbadener Klimaschutzagentur natureOffice weiß man: Klimaneutralität ist heute ein Gütezeichen. Engagierte Firmen übernehmen daher Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt. Nachgefragt bei Geschäftsführer Andreas Weckwert:
Wie steht es derzeit um den Blick fürs Klima? Hat sich der Fokus aufgrund der Corona-Pandemie verschoben?
Andreas Weckwert: Auch wir befanden uns im Zuge des ersten Lockdowns in einer ungewissen Situation, in der uns nicht klar war, was auf uns zukommt. Nach kurzer Zeit dann aber die Gewissheit: Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind dringlicher denn je. Seitdem verzeichnen wir einen sehr hohen Zulauf von Unternehmen, die sich nicht nur über das Thema informieren möchten, sondern die konkret beginnen möchten, Ihre Prozesse zu durchleuchten um dann mit Reduktions- und Vermeidungsstrategien einen echten Beitrag leisten wollen. Jeder will und jeder muss sich damit auseinandersetzen. Klar ist aber auch: Bei vielen großen Unternehmen rollt der Zug schon zu schnell – unaufhaltsam. Da möchte man sich mit hehren Aussagen im Markt positionieren, man sei bis 2025 oder 2030 klimaneutral. Eine Definition, was dies fürs eigene Unternehmen überhaupt bedeutet, findet allerdings nicht statt.
Inwiefern spielen Nachhaltigkeitsaspekte heute auch beim Recruiting eine Rolle?
Wir von natureOffice hören von Unternehmen immer wieder Aussagen à la „Wir müssen jetzt etwas tun, sonst bekommen wir keine Leute mehr.“ Die jungen Menschen, die jetzt die Innovationen vorantreiben möchten, haben ohnehin eine komplett andere Grundeinstellung zur Arbeitswelt. Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist für viele extrem wichtig geworden. Kurzum: Junge, qualifizierte Arbeitskräfte schauen sich ganz genau an, wo sie ihre Bewerbung hinschicken. Sie fragen sich: „Was tut das Unternehmen für mich im sozialen Bereich, und was im gesellschaftlichen?“ Für Arbeitgeber wird es daher umso wichtiger, nicht nur Pläne zu äußern, sondern diese auch sichtbar umzusetzen.
Welche Motive führten denn 2007 zur Gründung von natureOffice?
Im Jahr zuvor erschien der Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore. Zu diesem Zeitpunkt stand die Frage im Raum, ob es eine Möglichkeit gibt, Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu unterstützen. Relativ schnell haben wir dann einen Prozess zum klimaneutralen Drucken entwickelt. Bei Printvorgängen lässt sich recht einfach messen, wie viel CO2 entsteht. Und im Jahr 2007, noch vor der Finanzkrise, hat man richtig viel gedruckt! Ein Label, das besagt „Ich bin Teil des Problems – ich kann aber auch ein Teil der Lösung sein“, stellte damals für ein Unternehmen den schnellsten, günstigsten und einfachsten Einstieg in das Nachhaltigkeitsthema dar. Wir konnten schnell viele Druckereien zertifizieren, die daraufhin ihren Kunden wiederum den Zugang zum Klimaschutz ermöglichten.
Mittels Klimaschutzzertifikaten können Unternehmen ihre errechneten CO2-Emissionen kompensieren und somit ihr Engagement sichtbar machen. natureOffice versteht sich dank eigener Projekte in u. a. Afrika – verbunden mit regionalen Engagements in Deutschland, Österreich und den Niederlanden – jedoch nicht nur als Wiederverkäufer von CO2-Zertifikaten. Das unterstreichen ganz besonders die Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Togo:
Wie kam es zum dortigen Klimaschutzprojekt?
Ausgangsfrage war: Wo finden entsprechende Projekte bereits statt? In den Jahren 2008, 2009 und 2010 waren das vor allem der südamerikanische und der asiatische Raum. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen fand nahezu nichts statt. Fragte man damals bei Projektierern nach den Gründen, hieß es fast immer: „Die dortige Mentalität ist uns zu kompliziert.“ Für natureOffice jedoch war das der Ansporn, dort ein Waldprojekt zu starten. Im Vergleich zu allen anderen Klimaschutzmaßnahmen haben diese einen unschlagbaren Vorteil, denn Wald nimmt sehr viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf und bindet es im Holz. Maßnahmen, die auf Wind, Wasser, Solar oder Biomasse basieren, sind extrem wichtig – wirken jedoch erst in der Zukunft. Und Klima ist ein recht träges System: Das, was wir heute als Klimawandel wahrnehmen, sind die Auswirkungen der 1970er-Jahre.
Was können Sie über die Arbeit in Togo berichten?
Uns war immer klar, dass wir keine Maßnahmen losgelöst von den Menschen etablieren können. Heißt: Wir mussten in den entsprechenden Regionen schauen, was das jeweilige Klimaschutzprojekt zusätzlich an sozialer Strukturveränderung leisten kann, um den Menschen in Zukunft ein besseres Leben zu ermöglichen. Da spielten Themen wie Gesundheits- und Wasserversorgung, Bildung, Energie und Arbeit eine maßgebliche Rolle. In Togo herrscht eine sehr schlechte Wasserversorgung – es existieren Tümpel, die sich zur Regenzeit füllen und aus denen die Einwohner Wasser zum Trinken und Waschen schöpfen. Dieses Wasser ist natürlich extrem verseucht; hunderte Menschen sterben jährlich daran. Also haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Brunnen bauen zu lassen. Und wo diese nicht gebohrt werden können, sind große Filteranlagen die Lösung.
In der Unterstützung von Projekten wie eben in Togo sieht das Team von natureOffice die für den Klimaschutz kurzfristig effizienteste Maßnahme. Die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen sollte jedoch stets der erste Schritt von vielen weiteren sein. „Parallel vermeiden, reduzieren und kompensieren“ laute daher vielmehr die Zauberformel, wie Andreas Weckwert im weiteren Gespräch verdeutlicht:
Wie gehen Sie mit natureOffice die maßgeschneiderten Klimaschutzlösungen für Unternehmen an?
Unsere erste Frage an den Kunden lautet immer: „Wie lautet Dein Ziel?“ Da gibt es dann stets zwei Richtungen. Die eine beinhaltet den Wunsch nach einer CO2-Bilanz, um den gegenwärtigen Zustand zu ermitteln. Denn nur durch eine richtig gute Bilanz lassen sich dann Vermeidungs- und Reduktionspotenziale aufdecken. Die zweite Gruppe sagt direkt: „Ich will kompensieren.“ Wir sprechen da lieber von einem „CO2-Ausgleich“, und dieser sollte immer mit der Kombination aus Vermeiden und Reduzieren verbunden sein. Und das, was sich momentan noch nicht vermeiden oder reduzieren lässt – aus technologischen oder finanziellen Gründen – das wird ausgeglichen.
Böse Zungen sprechen da von „Gewissenserleichterung“ oder gar „Ablasshandel“ ...
„Ablasshandel!“, mein Lieblingswort (lacht)! Der Begriff entstammt der katholischen Kirche – für ein paar Kreuzer konnte man sich im 15. Jahrhundert aus dem Fegefeuer freikaufen. Bei diesem Vergleich mit unserer Arbeit frage ich mich: Wovon soll man sich denn freikaufen? CO2 zu emittieren ist ja keine Sünde, es geschieht nun mal. Wir merken aber erst jetzt durch den brutalen Konsum, dass der Ausstoß zu groß ist. Und dass wir etwas tun müssen.
Was entgegnen Sie diesen kritischen Stimmen?
Diese Stimmen gab es schon immer, die gibt es immer noch und die wird es auch weiterhin geben. Es ist natürlich ein Leichtes, sich erst gar nicht mit der Thematik auseinanderzusetzen und die Probleme den anderen zu überlassen. Wir bemerken allerdings, dass diese kritischen Personenkreise immer kleiner, und die Einsichten immer größer werden. Auch die Forderungen der Stakeholder werden zusehends lauter: „Wir möchten, dass Du als Unternehmen Dich im Klimaschutz engagierst.“ Verbrauchern ist es nun mal unmöglich, Klimaschutz in der ganzen Tiefe zu durchwandern. Vielmehr möchten sie diesen in ihren Produkten bereits mit kaufen. Daher ist es unerlässlich, dass Unternehmen Klimaschutz mehr und mehr in ihre Produkte und Dienstleistungen integrieren.