Die Zahl aller ästhetischen Behandlungen nimmt in Deutschland jährlich zu: Das Glätten von Falten, Fettabsaugungen und Lippenkorrekturen bilden dabei die Top-3 Eingriffe ab. Neben diesem Trend beobachten Experten auf Patientenseite einen vermehrt unkritischen Umgang mit den nie risikofreien Operationen – Fachgesellschaften pochen daher auf professionelle Beratung und eine Auseinandersetzung mit möglichen Komplikationen. Bei vermeintlich günstigen Angeboten im Ausland gelte es zudem den Blick zu schärfen.
Mit einer „Anti-Hunger-Spritze” in kürzester Zeit die Pfunde purzeln lassen? Tatsächlich versprechen sich aktuell immer mehr Menschen, die trotz Diät oder Sport ihr Wunschgewicht nicht erreichen, genau diesen Effekt von einer Botox-Injektion in die Magenwand. Ein fragwürdiger Trend, nicht zuletzt aufgrund mehrerer Fälle von schweren Lebensmittelvergiftungen, die sich hierzulande nach eben solch einer Injektion ereignet haben. Insgesamt 12 Vergiftungsfälle konnte das Robert-Koch-Institut im März 2023 bestätigen – alle Patienten ließen sich kurz zuvor in der Türkei behandeln. Dr. med. Helge Jens, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), mahnt mit Blick auf die gehypte Abnehm-Methode: „Mal ganz abgesehen vom zweifelhaften Nutzen einer Botulinumtoxin-Behandlung gegen Übergewicht, können bei nicht fachgerechter Durchführung einer jeden Behandlung immer Komplikationen entstehen. Deshalb ist es enorm wichtig, sich vorher über die Qualifikation des behandelnden Arztes zu informieren und sich nicht nur durch Werbeversprechen und besonders günstige Preise leiten zu lassen.“ Tatsächlich lassen entsprechende Anbieter auf ihren Websites verlauten, dass sich die „Anti-Hunger-Spritze” idealerweise für Menschen mit moderatem Übergewicht mit einem BMI von maximal 35 zur Gewichtsreduktion eigne. Die aus den Schlagzeilen resultierende Verunsicherung von Patienten, die sich etwa Botox zur Faltenglättung spritzen lassen, kann Dr. Helge Jens allerdings entkräften: „In Deutschland ist seit Zulassung von Botulinumtoxin TypA in der ästhetischen Gesichtsbehandlung kein einziger Fall von Botulismus dokumentiert, da es in stark verdünnter Form und sehr geringen Dosen zum Einsatz kommt. Es gilt als sehr sicher.“
Auf Facharzttitel und Expertise achten
Die Zahl sämtlicher ästhetischer Behandlungen hat 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund fünf Prozent zugelegt. Dazu zählen vor allem minimalinvasive Eingriffe wie die Faltenglättung mit Botulinumtoxin und Hyaluronsäure, Fettabsaugungen oder Lippenkorrekturen. Prof. Dr. med. Detlev Hebebrand, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), skizziert: „Der Anstieg ist moderater als im Vorjahr, zeigt jedoch weiterhin enormes Interesse an ästhetischen Korrekturen. Viele unserer Patienten wünschen sich ein jüngeres und frisches Aussehen, das mit dezenten Maßnahmen erreicht werden soll.“ Diese Entwicklung, gepaart mit der Tatsache, dass heutzutage in den Sozialen Medien immer wieder neue Behandlungstrends – wie die erwähnte Botox-Injektion in die Magenwand – schnell an Reichweite gewinnen, verdeutlicht, dass Risiken und mögliche Komplikationen vor jeder Schönheits-OP zu bedenken sind. Die VDÄPC empfiehlt daher Patienten hinsichtlich einer sicheren Behandlung, bei der Wahl des Experten für den gewünschten Eingriff jederzeit auf den Facharzttitel und die jeweilige Expertise zu achten. Auch mahnt der Verband zur Vorsicht beim gut gemeinten Trend des Verschenkens von Ästhetisch-Plastischen Operationen, etwa zum Geburtstag oder zu Weihnachten: „Schönheitsoperationen sollten nicht mit üblichen Geschenken wie beispielsweise Schmuck oder Büchern verglichen werden. Auch wenn der Wunsch nach optischer Veränderung ganz oben auf der Wunschliste steht.” Denn auch bei kleineren Behandlungen handele es sich um ein medizinisches Vorgehen mit allen damit verbundenen Risiken, und nicht um ein typisches Konsumgut für Kurzentschlossene.
Ob kurzfristig geschenkt oder bereits länger geplant: Die Tragweite einer Schönheitsoperation ist schnell unterschätzt. Denn immer handelt es sich dabei um einen Eingriff in den Körper, dessen Erfolg von ganz unterschiedlichen Faktoren abhängt: Raucher etwa legen eine langsamere Wundheilung an den Tag als Nichtraucher, was einen längeren Heilungsverlauf mit sich bringen kann. Auch bei einem optimalen Verlauf des Eingriffs bleiben zudem stets Narben zurück – deren späteres Aussehen hängt neben dem Geschick des Chirurgen auch davon ab, welche genetischen Anlagen der Patient mitbringt. Es sind ganz unterschiedliche Risiken, die je nach Eingriff bekannt sind und mitunter Folgeoperationen notwendig machen. Bei einer Brustvergrößerung kann sich (in seltenen Fällen) festes Narbengewebe um das Implantat herum bilden; auch sind Entzündungen oder ein Verrutschen möglich (Asymmetrie). Bei einer Brustverkleinerung oder -straffung hingegen sollten mögliche Hämatome, Hautverfärbungen, Schwellungen oder Wundheilungsstörungen Gegenstand des ärztlichen Vorgesprächs sein. Und auch vermeintlich kleinere Eingriffe wie die Lidstraffung gilt es nicht zu unterschätzen: Unerwünschte Begleiterscheinungen wie eine ungünstige Narbenbildung, vorübergehend verschwommene Sicht oder trockene Augen zählen zu den Risiken. So gut die Erfolgsaussichten entsprechender Operationen auch sind, so wichtig ist es, denkbare Komplikationen als Patient nicht kleinzureden.
Revisionsoperationen im dreistelligen Bereich
„Unerwünschte Begleiterscheinungen” – diese Umschreibung dürfte für Patienten, die eine misslungene Operation im Ausland hinnehmen mussten, wie ein Euphemismus klingen. Besonders günstige „All-in-one-OPs” inklusive mehrtägigem Aufenthalt klingen für Interessierte oft verlockend; auch stellt das Abbilden von Vorher-Nachher-Bildern für viele Patienten einen großen Anziehungspunkt dar. Die DGÄPC stellt hierzu fest: „Eine offizielle Zahl zu Revisionsoperationen und Notfallbehandlungen nach ästhetisch-plastischen Eingriffen existiert nicht. Dennoch werden allein bei den Mitgliedern der DGÄPC jährlich Revisionsoperationen im mittleren dreistelligen Bereich durchgeführt. Gut die Hälfte hiervon stammt aus dem Ausland.” Dass es auch in den bevorzugten Ländern wie Tschechien, Polen und der Türkei qualifizierte, gut ausgebildete Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie gebe, stehe dabei außer Frage. Dennoch bleibe die Zahl von Patienten, bei denen die Wunschoperation im Ausland einen nicht optimalen Verlauf genommen hat, signifikant hoch. Und das mit teils schwerwiegenden Folgen. Für das Suchen und Finden qualifizierter Ärzte im Ausland hat die Fachvereinigung daher eine Checkliste veröffentlicht: Diese richtet den Fokus auf Kernpunkte wie Seriosität („Ist der Titel Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie oder Plastische Chirurgie vorhanden?”), Beratung („Werde ich ausführlich über Risiken und Nachsorge aufgeklärt?”), rechtliche Grundlagen („Vorsorgliche Anfertigung eines Erinnerungsprotokolls, Kopie von wichtigen Dokumenten”) und Zertifikate („Achtung bei Zertifikaten von Tourismusagenturen”).
Die Behandlungsoptionen in der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie haben in den vergangenen Jahren eine stetige Entwicklung und Verbesserung erfahren. Hinzu kommen veränderte Schönheitsideale und gesellschaftliche Bewegungen. Die Frage, ob alles, was möglich ist, auch sinnvoll erscheint, darf dabei aus Expertensicht jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Der Wunsch nach einem Eingriff sollte daher immer mit einer professionellen Beratung, kritischer Aufklärung sowie einer intensiven Begleitung einhergehen.
Zur Checkliste der DGÄPC: Risiko Schönheitsoperation im Ausland