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Zwischen Landflucht, Smart City und Ökodorf

Zwischen Landflucht, Smart City und Ökodorf

Foto: © Viorel Sima - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Rund um die Frage „Stadt- oder Landleben“ existieren viele Diskussionen, Vorbehalte und Abwägungen. Die Tatsache, dass mittlerweile auch allerlei Mischformen und alternative Entwürfe existieren, macht die Entscheidungsfindung beim Pro und Contra fürs urbane oder ländliche Leben nicht einfacher. Doch ob im Co-Living Space, auf dem Bauernhof oder umringt von einem Sicherheitszaun – spannend ist der Blick auf aktuelle Wohntrends allemal.

Die Menschen zieht es in die Großstädte

„Landflucht“, so der Name eines Phänomens, das seit Jahren in Deutschland und vielen weiteren Ländern Europas zu beobachten ist. Während die Einwohnerzahlen in den Städten stetig wachsen, werden ländliche Regionen fortwährend abgehängt. Die Folge: In den Dörfern fehlt es zusehends an Infrastruktur. Dort, wo immer mehr ältere Menschen leben, verschwinden Supermärkte, Bäckereien, Arztpraxen und Einrichtungen für kulturelle Angebote. Auf der anderen Seite wird es in den Städten immer enger – Wohnraum schwindet und Grünflächen müssen Bebauungsplänen weichen. Die Europäische Union hat deshalb einen sogenannten „Pakt für den ländlichen Raum“ auf den Weg gebracht: Das Förderprogramm soll vernachlässigte Orte finanziell unterstützen.

 

Co-Living – Wohnkonzept der Zukunft

Mehr und mehr hat sich der Co-Working-Trend in den vergangenen Jahren auch hierzulande etabliert: Berufstätige, Freiberufler und Start-ups teilen sich eine Arbeitsfläche, um diese gemeinschaftlich zu nutzen. Doch lässt sich dieses flexible Lebensgefühl von digitalen Nomaden, Studierenden und Gründern auch auf den Wohnungsmarkt ummünzen? In urbanen Ballungsräumen scheint die Wohnform des Co-Living vor allem den Bedürfnissen der Millennials gerecht zu werden. Junge Menschen leben in möblierten Apartmenthäusern auf Zeit und teilen sich dort etwa Gemeinschaftsbereiche zum Kochen und Arbeiten. Während das temporäre Wohnen für die Mieter Zeit- und Kostenersparnisse bedeutet, eröffnen sich Immobilieninvestoren dank dieser neuen Wohnwelten neue Vermietungskonzepte.  

 

Stress and the City

Städte halten unzählige Entfaltungsmöglichkeiten bereit, können uns aber vor allem auf der mentalen Ebene auch ziemlich herausfordern: Sie sind laut, voll und hektisch. Der Psychiater und Psychotherapeut Mazda Adli ist Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin und leitet den Forschungsbereich Affektive Störungen an der Charité. Der Experte beschäftigt sich in erster Linie mit der Stress- und Depressionsforschung – so auch in seinem Werk „Stress and the City“. Darin geht Adli den Fragen nach, ob Städte gar krank machen können, inwiefern das Stadtleben unserer Psyche schadet und ob das Leben auf dem Land wirklich Glück verspricht. Vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2050 rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden, blickt der Autor auf Dichte, Anonymität und auch Gewalt im urbanen Alltag. Gleichzeitig schaut er aber auch nach vorn: Es brauche neue Visionen und Ideen für gesunde Städte.   

 

Gated Communities

Gated Communities – ein Leben hinter Gittern? Was etwas überspitzt klingt, hat durchaus einen wahren Kern, denn bei dieser Wohnform handelt es sich in der Regel um ein Privatgrundstück mit mehreren Wohnungen, beschützt durch Zäune, Kameras und Pförtner. Die Anzahl solch geschlossener Wohnkomplexe ist seit den 1970er-Jahren vor allem in Ballungsgebieten Nord- und Südamerikas stark gestiegen. Hierzulande existiert etwa in Potsdam die Gated Community „Arcadia“, die insgesamt sieben Villen beheimatet – inklusive Sicherheitszaun und 24-Stunden-Security-Dienst. Doch es geht auch ohne Umzäunung, wie beispielsweise die Heinrich-Heine-Gärten im Düsseldorfer Stadtteil Heerdt zeigen. Dort sind es eher optisch gestaltete Grenzen, eine Schranke für den Durchgangsverkehr sowie ein Concierge, die für Privatsphäre und Sicherheit der Bewohner sorgen.

 

Smart Cities

Die schnelle Entwicklung der Digitalisierung macht auch vor dem Wohnungsmarkt nicht Halt: Städte, Gemeinden und Kommunen stehen daher vor der Herausforderung, den digitalen Wandel nachhaltig in der Stadtentwicklung zu integrieren. Denn Smartes Wohnen kann die Lebensqualität der Bürger immens steigern: Vernetzte oder ferngesteuerte technische Geräte in Haus oder Wohnung erleichtern den Alltag; digitale Lösungen aus den Bereichen Sicherheit, Komfort und Unterhaltung sind zudem zeitgemäß und bequem. Auch eine Unterstützung bei der ambulanten oder stationären Pflege per Bewegungssensoren ist möglich. Seit dem Jahr 2019 fördert der Bund insgesamt 73 „Modellprojekte Smart Cities“ – unterstützt werden kommunale, fachübergreifende und raumbezogene digitale Strategien und deren Umsetzung. Bis 2030 soll auf diese Weise die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt werden. Zahlreiche deutsche Städte, Kreise und Gemeinden erproben bis dahin verschiedene Smart City-Konzepte.

 

Hin und weg: (Über)Leben auf dem Bauernhof

Die studierte Geschichts-, Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin Madeleine Becker (*1992) entschied sich im Jahr 2019 dafür, den Hörsaal gegen den Kuhstall einzutauschen. Von ihrem Leben auf einem kleinen Milchviehhof in Kärnten berichtete sie damals in ihrem Erstling „Erst mal für immer”. In den zurückliegenden fünf Jahren hat Becker zahlreichen Kälbern auf die Welt geholfen, jede Menge Tomaten gesät und geerntet und viel Zeit in ihren knallgelben Gummistiefeln verbracht. Nun hat sie den nächsten Schritt gewagt und mit ihrem Partner einen eigenen Hof in der Steiermark bezogen. In ihrem neuen Werk „Hin und weg“ berichtet die Autorin von allerlei Herausforderungen zwischen Melkmaschine, Gemüsegarten und blinden Kühen. Mit ihrer anekdotenhaften Erzählweise schafft es Madeleine Becker, für Themen zu sensibilisieren, die uns in der Stadt oder im Supermarkt eher selten begegnen.   

 

Gemeinschaftliche Wohnprojekte

Die Vorteile gemeinschaftlicher Wohnprojekte klingen verlockend: Neben günstigen Mieten und demokratischer Mitbestimmung bestechen sie in den meisten Fällen auch durch ein lebenslanges Wohnrecht. Projekte wie Genossenschaften oder Mietshäusersyndikate stehen für preiswerten Wohnraum und bilden gleichzeitig eine Alternative zum Singlehaushalt ab. Gruppen gestalten hier ihre Wohnbedürfnisse gemeinsam und selbstbestimmt, während externe Vermieter oder einzelne Hausbesitzer wegfallen. Eine Immobilie im kollektiven Besitz? Dazu braucht es zumindest zu Beginn auch jede Menge Ausdauer, Know-how sowie Kontakte zu Architekten. Auch steigende Baukosten erschweren derzeit gemeinschaftliche Wohnprojekte. Ein Pluspunkt jedoch ist, dass sich die Mietpreise hier an den realen Kosten orientieren – ist der Baukredit abbezahlt, ist gar eine weitere Senkung der Mieten möglich.  

 

Gemeinsames Wohnen im Ökodorf

Gemeinsam wohnen, arbeiten und auf Nachhaltigkeit setzen: All das ist beim Leben im Ökodorf möglich. Dabei handelt es sich in der Regel um genossenschaftlich organisierte Gemeinschaften, die einen Wald, Gärten oder Ackerland bewirtschaften. In der Gemeinschaft Tempelhof etwa leben rund 100 Erwachsene mit 45 Kindern und Jugendlichen. Das Gelände des Ökodorfes im baden-württembergischen Kreßberg (Landkreis Schwäbisch Hall) wurde von der dortigen Gemeinschaft 2010 gekauft und mit Wohngebäuden, Werkstätten, einer Großküche sowie einer Mehrzweckhalle samt Bühne versehen. Das Ökodorf Sieben Linden in der Altmark in Sachsen-Anhalt wiederum basiert auf einem umgebauten Bauernhof, der unter anderem ein Seminarzentrum beheimatet. Dort organisieren die Bewohner Workshops und Vorträge. 1997 mit 15 Bewohnern samt Bauwagen gestartet, bildet Sieben Linden heute ein Modelldorf für einen klima- und ressourcenschonenden Lebensstil ab. In den Gärten auf dem Gelände werden Obst und Gemüse in Eigenproduktion angebaut. Im Jahr 2020 wurde das Ökodorf als Lernort der Unesco ausgezeichnet.

 

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