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Lassen Sie uns über Hormone sprechen

Lassen Sie uns über Hormone sprechen

Grafik: PVS holding
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Während manch einer das Thema als „unsexy” abstempelt, fordern andere dringend mehr Aufklärung – Fakt ist, dass Hormone unser Leben in großem Maße lenken und mitbestimmen. Die Botenstoffe beeinflussen den Schlaf, geben in der Pubertät den Ton an und sorgen in Meno- und Andropause für tiefgreifende Veränderungen. Gute Gründe also, um genauer hinzuschauen: auf aktuelle Ratgeber, moderne Diagnoseverfahren und spannende Forschungsprojekte.

 

Achtung, Hormone

Gemütszustände und Fragen, die wohl jede(r) kennt: Wieso schießt mein Puls blitzartig in die Höhe, wenn ich mich aufrege? Weshalb spielen Jungen ganz anders als Mädchen? Und kann es sein, dass sich Männer und Frauen mit zunehmendem Alter immer ähnlicher sehen? Der Amsterdamer Internist und Endokrinologe Prof. Dr. Max Nieuwdorp geht in seinem Buch „Achtung, Hormone. Alles über die Botenstoffe, die unser Leben lenken” genau solchen Gedankengängen nach und hat damit den Nerv einer großen Leserschaft getroffen. Mit jeder Menge Humor und einem umfangreichen Expertenwissen schildert Nieuwdorp die faszinierende Macht der Hormone, und wie sie unser Dasein von der Geburt bis zum letzten Atemzug bestimmen. Dabei spart der Autor nicht mit aktuellen Forschungsergebnissen rund um Pubertät, Schwangerschaft, Meno- oder Andropause – auch Faktoren wie Umwelteinflüsse und Lebenswandel finden im Buch ihren Platz.

 

Umwelthormone – das alltägliche Gift

„Endokrine Disruptoren”, das sind Chemikalien, die schon in geringsten Mengen das Hormonsystem stören können, was letztlich unserer Gesundheit schadet. In ihrem Buch „Umwelthormone – das alltägliche Gift” nimmt die freie Journalistin Katharina Heckendorf genau diese Substanzen unter die Lupe und verdeutlicht, dass die Schadstoffe unter anderem Fettleibigkeit, Diabetes, Krebs und Unfruchtbarkeit begünstigen können. „Wir müssen unseren Konsum verändern – für unseren Planeten, für uns selbst und für die Generationen, die noch kommen werden”, mahnt Heckendorf. Tatsächlich sind Umwelthormone in unserem Alltag allgegenwärtig: In Verpackungen, Lebensmitteln, Kosmetika, Putzmitteln und Textilien sind sie unter anderem auszumachen. Katharina Heckendorf weiß: „Es ist kaum möglich, ihnen zu entgehen.” Im Zuge ihres Selbstversuchs, auf Schadstoffe komplett zu verzichten, wurde dies der Autorin bewusst. Doch es existieren Möglichkeiten, den Kontakt mit den „Zeitbomben für die menschliche Gesellschaft” zu reduzieren – hierzu liefert Katharina Heckendorf wertvolle (und selbst erprobte) Hilfestellungen.  

 

Die gereizte Frau

„Die Menopause ist das letzte Tabu der Frauengesundheit – und dieses Buch der Versuch ihrer Entmystifizierung.” Das sind die Worte der Journalistin und Autorin Miriam Yung Min Stein, 1977 in Südkorea geboren und als Adoptivkind in einer deutschen Familie aufgewachsen. Mit ihrem Werk „Die gereizte Frau” möchte sie verdeutlichen: Die Periode ist politisch – ihr Ausbleiben aber auch! Denn als Miriam Stein selbst von Hitzewallungen, Schlafstörungen und weiteren Vorboten der Menopause überrascht wird, geht sie der ihr von der patriarchalen Gesellschaft zugedachten Stellung auf den Grund. Schon bald stellt sie fest, dass bis in die heutige Zeit eher Mythen und Fehlinformationen den Diskurs bestimmen: „Das Klimakterium erscheint als peinliche Hormonmangel-Krankheit”, so Stein. Auch rückt sie kulturelle Aspekte in den Fokus, ist Miriam Stein doch hierzulande mit dem Vorurteil aufgewachsen, dass „Asiatinnen keine Wechseljahresbeschwerden haben.” Die Kritiken sehen in dieser Veröffentlichung eine wichtige Lektüre für jede Frau, die selbstbestimmt altern möchte.

 

Hormongesteuert – der Wechseljahre-Podcast

„Schlaflos in den Wechseljahren”, „Die große Angst vor der Hormonersatztherapie” oder „Stimmungsschwankungen und Migräneattacken” – in den Folgen ihres Podcasts „Hormongesteuert” widmen sich die Frauenärztin Dr. Katrin Schaudig und die MDR-Moderatorin Katrin Simonsen den vielfältigen Symptomen der Menopause. Dass sich hierzulande aktuell rund neun Millionen Frauen in eben dieser Phase befinden, das Thema „Wechseljahre” aber weiterhin als unsexy und schambehaftet gilt, unterstreicht dabei den Informationsbedarf. Das Duo Schaudig und Simonsen weiß allerdings auch, dass mittlerweile eine neue Generation Frauen das Wort ergreift, um mehr Öffentlichkeit für das Thema einzufordern. Neben ihrer Tätigkeit als Frauenärztin ist Dr. Katrin Schaudig auch Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft. Neue Folgen des Podcasts erscheinen im Zweiwochen-Rhythmus.

 

Rolle der Sexualhormone bei Stress in der Pubertät

Dass sich die Hormone im Körper gegenseitig stark beeinflussen, ist bekannt. An der Universität Hamburg wird derzeit erforscht, welche Rolle Sexualhormone bei Stress in der Pubertät spielen. Diese Verbindung untersucht Nils Clusmann aus dem Fachbereich Biologie im Rahmen seiner Promotionsstudie. Er weiß, dass sich die Zusammensetzung der Hormone in der Pubertät stark verändert, was letztlich auch mit verschiedenen Körperreaktionen korreliert: „Bei Mädchen ist insbesondere die Menarche, also die erste Blutung, die den Menstruationszyklus startet, ein Einschnitt”, so Clusmann. „Da braucht der Körper erstmal eine gewisse Zeit, um mit den stark fluktuierenden Hormonen klarzukommen.” Doch auch im sozialen Umfeld verändert sich nach Eintritt der Pubertät einiges – nicht zuletzt verschiebt sich der Fokus von den Eltern auf Gleichaltrige. Nils Clusmann: „Gleichzeitig führt die Imbalance im Gehirn zu Verhaltensweisen, die ebenfalls für Konflikte sorgen können. Das ist also insgesamt eine sehr stressige Phase.” Da bei erwachsenen Frauen nachgewiesen wurde, dass die Sexualhormone Östrogen und Progesteron den Umgang mit Stress verbessern, soll nun auch gezeigt werden, inwiefern diese auf Stress im Menstruationszyklus von Mädchen einwirken.

uni-hamburg.de

 

Digitale Kinderschlafmedizin

Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind mit anderen Augen zu betrachten als im Erwachsenenalter: Denn in diesen frühen Jahren sorgt ein erholsamer Schlaf dafür, dass sich neuronale Netzwerke verknüpfen und die Gedächtniskonsolidierung stattfinden kann. Zudem wird im Schlaf das Wachstumshormon ausgeschüttet. Dr. med. Alfred Wiater ist Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Schlafmedizin; von 2012 bis 2018 bekleidete er zudem das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Unter telepraxis-kinderschlaf.de bietet er bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter eine Online-Sprechstunde an: „In meiner Videosprechstunde behandle ich alle Kinder und Jugendlichen grundsätzlich persönlich. Als Kinder- und Jugendarzt mit den Zusatzbezeichnungen Schlafmedizin und Homöopathie biete ich eine ganzheitlich orientierte Beratung und Behandlung von Schlafstörungen und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus an.” Dank dieser digitalen Lösung werde die schlafmedizinische Versorgung regional unabhängig, ohne dass dabei auf den persönlichen ärztlichen Bezug verzichtet werden müsse. Dr. med. Alfred Wiater: „Je präziser die Diagnostik der Schlafstörung, umso besser der Behandlungserfolg.” In der digitalen Sprechstunde könne im persönlichen Austausch zwischen Arzt und Eltern – unter Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen – die Art der notwendigen Untersuchungen vereinbart werden.          

telepraxis-kinderschlaf.de

 

Endometriose-Forschung stärken

Forschungen rund um die Frauenkrankheit Endometriose, also das Auftreten von Gebärmutterschleimhaut-ähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle, benötigen laut der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) einen gehörigen Schub. Dank der neu geschaffenen Arbeitsgemeinschaft Endometriose e. V. (AGEM) soll die gynäkologische Erkrankung, an der jede zehnte bis zwölfte Frau leidet, mehr Aufmerksamkeit erhalten. Das Leiden kann mit starken Schmerzen einhergehen, die nicht selten zeitlich mir der Menstruationsblutung zusammenhängen. In einer Pressemitteilung erklärt die DGGG: „Trotz der hohen Verbreitung und der im Einzelfall gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen, ist die gesellschaftliche Wahrnehmung – aber auch die Aufmerksamkeit bei Ärztinnen und Ärzten – noch immer zu gering. Nicht selten haben Betroffene jahrelang Beschwerden, bevor die Diagnose gestellt wird.” Neben organisatorischen Anliegen soll vor allem die Förderung der Wissenschaft und Forschung intensiviert werden. Ein weiteres Augenmerk der Arbeitsgemeinschaft liegt auf der Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in Bezug auf die Endometriose.

dggg.de

 

Der hormonelle Zyklus des Gehirns

Eine gemeinsame Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und des Universitätsklinikums Leipzig zeigt, dass im weiblichen Gehirn wichtige Regionen für Gedächtnis und Wahrnehmung im Verlauf des weiblichen Zyklus umgebaut werden. Zu diesem Schluss kommen die beiden Forscherinnen Dr. Rachel Zsido und Prof. Julia Sacher. Geschlechtshormone entfalten demnach als Botenstoffe im Gehirn eine bemerkenswerte Wirkung – dies zeigt sich in der Erkenntnis, dass beispielsweise eine frühe Menopause mit dem erhöhten Risiko für eine beschleunigte Gehirnalterung und Demenz im späteren Leben einhergehe. Doch wie steht es um die Auswirkungen von hormonellen Schwankungen aufs Gehirn im frühen Erwachsenenalter? „Wir konnten feststellen, dass bestimmte Regionen des medialen Temporallappens, die wichtig für das episodische Gedächtnis und die räumliche Wahrnehmung sind, unter hohen Östradiol- und niedrigen Progesteronspiegeln an Volumen zunehmen”, so Prof. Julia Sacher. Diese Gehirnareale würden sich demnach synchron mit dem Menstruationszyklus umbauen. Das weibliche Gehirn, so die Medizinerin, erhalte in den Neurowissenschaften noch zu wenig Aufmerksamkeit: „Das wollen wir ändern, denn um Frauen mit Alzheimer oder Depressionen gezielt behandeln zu können, müssen wir besser verstehen, wie sich das gesunde weibliche Gehirn an Veränderungen anpasst und von Sexualhormonen beeinflusst wird.“

mpg.de

 

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