Wenn starke Ängste gegenüber bestimmten Situationen oder Objekten das Leben schwer machen, kann es hilfreich sein, sich den Phobien im Rahmen einer Konfrontationstherapie zu stellen: So lernen Betroffene, die Angst durch Gewöhnung zu vermindern und ihr Vermeidungsverhalten abzulegen. Am Zentrum für Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum hat ein Wissenschaftsteam erforscht, ob sich die psychotherapeutische Intervention aus dem Bereich der Verhaltenstherapien noch effizienter gestalten lässt.
Klaustrophobie – die Angst vor engen Räumen, Akrophobie – die Angst vor der Höhe, Arachnophobie – die übermäßige Angst vor Spinnen: Phobien und Angststörungen kommen äußerst vielschichtig und teils konträr daher, haben jedoch alle die Gemeinsamkeit, dass sie Betroffene je nach Ausprägung in ihrem Alltag einschränken. Eine gebräuchliche Reaktion ist es dann, Angstfaktoren aus dem Weg zu gehen und Situationen, in denen man ihnen begegnen könnte, zu meiden. Wer demnach unter Höhenangst leidet, wird sich kaum mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk eines Wolkenkratzers begeben; Spinnenphobiker hingegen überlassen nur zu gerne anderen den Vortritt, wenn es darum geht, etwas aus dem halbdunklen Vorratskeller zu beschaffen. Schwerer wiegt der Fall, wenn aufgrund von Angstsymptomen und Vermeidungsstrategien die Lebensqualität stark abnimmt und zwischenmenschliche Beziehungen leiden, wie etwa bei einer Sozialen Phobie. Solcherlei Angststörungen können mittels Psychotherapie oder -analyse erfolgreich behandelt werden; auch Medikamente aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) kommen infrage.
Ein weiteres Mittel zur Bekämpfung von Phobien ist die Konfrontation: Der Patient stellt sich hierbei angstbesetzten Situationen in der Realität, um diese schrittweise zu überwinden. Je besser dies gelingt, desto höher die Motivation, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. „Die Konfrontationstherapie ist schon sehr gut, viel wirksamer als medikamentöse Therapien bei Angststörungen“, sagt Prof. Dr. Armin Zlomuzica vom Lehrstuhl Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum (RUB). „Aber es gibt immer noch Luft nach oben.“ So würden nicht alle Behandelten gleich stark von diesem Ansatz profitieren. Ein Wissenschaftsteam der RUB wollte daher im Zuge einer Untersuchung herausfinden, wie Phobien wirksam und nachhaltig zu behandeln sind und ob sich die Effizienz der Konfrontationstherapie steigern lässt. Dafür kam das Modell des Extinktionslernes zum Einsatz – dieses basiert auf der Annahme, dass gewisse Ängste zumindest teilweise erlernt sind.
Lassen sich positive Erlebnisse verfestigen?
Solch erlernte Ängste lassen sich laut dem Bochumer Forschungsteam in Koordinierungsexperimenten mit gesunden Probanden nachstellen: Auf die Präsentation eines neutralen Reizes – das kann ein abstraktes Muster sein – folgt eine aversive Stimulation, zum Beispiel in Form eines unangenehmen Strompulses. Die Teilnehmenden würden im Laufe der Zeit lernen, das gezeigte Bild zu „fürchten”. Andersherum: Wird ihnen das Bild eine Weile ohne den Strompuls präsentiert, machen die Probanden die Erfahrung, dass es keinerlei Grund gebe, „Angst” davor zu haben. Armin Zlomuzica ergänzt: „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass man die Extinktion bei gesunden Probanden durch die Gabe eines Medikaments, nämlich durch das Stresshormon Cortisol, beschleunigen oder besser verfestigen kann.” Der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie verweist auf erste Untersuchungen mit Patienten, die positive Effekte beim Therapieerfolg zeigten. In diesen Studien, so ist zu erfahren, nahmen die Patienten das Medikament stets vor der Intervention ein. Beim Bochumer Forschungsteam stand daher die Frage im Raum, was passiert, wenn sie Cortisol nach der Therapie verabreichten: Könnten sie das Pharmakon gezielt nach erfolgreichen Konfrontationen mit dem angstauslösenden Objekt einsetzen und somit die positiven Therapieerlebnisse verfestigen?
Mithilfe einer Gruppe von rund 50 Menschen mit ausgeprägter Arachnophobie wurde an der RUB diese Theorie unter die Lupe genommen: Die Hälfte der Gruppe nahm nach einer Konfrontation mit Spinnen einmalig eine Cortisol-Tablette ein, während die andere Hälfte ein Placebo erhielt. Die Forscher erfassten sowohl vor als auch nach der Spinnenbegegnung, wie stark sich die Teilnehmenden vor den Tieren fürchteten. Hierfür hatten die Patienten ihre Angst zum einen subjektiv einzuschätzen; sie mussten aber auch einen Annäherungstest in Richtung Terrarium absolvieren. „Spinnenphobiker trauen sich beispielsweise nicht, die Hand von außen an die Glasscheibe zu legen, auch wenn sie nicht mit der Spinne in Kontakt kommen können“, beschreibt Armin Zlomuzica. „Manche Menschen können auch nicht so nah an das Terrarium herangehen, dass sie die Spinne in all ihren Details anschauen können.“ Der Experte weiß jedoch zu berichten, dass sich unmittelbar nach der Therapie die meisten Patienten der Spinne stärker annähern konnten als zuvor: „Dann trauen sie sich zum Beispiel, die Hand in das Terrarium zu halten oder die Spinne sogar auf den Arm zu nehmen.”
Angst aus eigener Kraft bewältigen
Die Konfrontationstherapie gilt heutzutage als die effektivste Therapie zur Behandlung von Angststörungen. Patienten müssen sich dabei angstbesetzten Situationen in der Realität stellen. Werden erste Situationen in der Regel mit dem Therapeuten aufgesucht, übt der Patient später meist alleine weiter. Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Erfahrung, die Angst aus eigener Kraft aushalten und bewältigen zu können. Auch soll der Patient mit der Zeit erkennen, welche subjektiven Fehleinschätzungen einer angstauslösenden Situation vorausgehen. Daher wird die Konfrontationstherapie häufig mit Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie ergänzt.
Kontext spielt bei Angst eine Rolle
Aus diesem Grunde stand nach vier Wochen sowie ein weiteres Mal nach sechs Monaten die Wiederholung des tierischen Annäherungsversuchs an. Allerdings fand die Konfrontation nun in zwei verschiedenen Kontexten statt: Erst im selben Raum, in dem die Therapie einst stattgefunden hatte, zudem jedoch auch in einem weiteren Raum – inklusive andersfarbigem Terrarium und anderem Versuchsleiter. Armin Zlomuzica erklärt die Vorgehensweise: „Beim Extinktionslernen gibt es oft Kontexteffekte. Die Patienten können das in der Therapie Gelernte also nicht immer auf einen anderen Kontext übertragen. Dann fürchten sie sich vielleicht weniger vor Spinnen, wenn sie in dem Raum sind, in dem sie die Konfrontation erlebt haben.“ Die extreme Angst könne aber zurückkehren, etwa dann, wenn sie zuhause eine Flasche Wein aus dem Keller holen möchten und dort eine Spinne entdecken. Das eigentliche Ziel der Behandlung – dass die Angst generell schwindet – werde durch die Gabe von Cortisol nach der Konfrontationstherapie demnach nicht erreicht: „Unsere Studie hat gezeigt, dass das Gelernte durch das Medikament viel stärker an den Kontext gebunden wurde, was langfristig natürlich nicht gut ist“, erklärt Zlomuzica. Der Wissenschaftler sieht hier dennoch eine wertvolle Erkenntnis: „Wir werden nun weitere Versuche machen, in denen wir den Patienten das Medikament vor der Konfrontation verabreichen.“
Mittels einer weiteren Intervention, diesmal ohne Medikament, wollte die Bochumer Gruppe erörtern, ob auch eine gesteigerte Selbstwirksamkeit das Extinktionslernen fördern kann. Jeder Mensch habe eine wahrgenommene Selbstwirksamkeit, so Zlomuzica: „Es ist unsere Selbsteinschätzung, wie gut wir in bestimmten Situationen mit einer Aufgabe oder Herausforderung umgehen können.“ Da Personen mit einer Angststörung von sich selbst jedoch erwarten, dass sie mit solchen Angstsituationen nicht umgehen können, verfügen sie über eine geringe subjektiv empfundene Selbstwirksamkeit. An der RUB ging man der Frage nach, inwiefern es für die Therapie förderlich ist, die Selbstwirksamkeit gezielt zu steigern. Im Rahmen einer Studie mussten Menschen, die an Höhenangst litten, in der virtuellen Realität den 117,5 Meter hohen Oberhausener Gasometer besteigen. Auch gingen die Therapeuten im Anschluss mit den Patienten auf einen realen Kirchturm, um die Wirksamkeit der virtuellen Intervention zu überprüfen. Nach dieser erfolgten Konfrontation wurden die Teilnehmer darum gebeten, sich gezielt an das bewältigte Erlebnis zu erinnern. „Vor der Intervention gehen die Patienten davon aus, dass die Konfrontation mit der Höhe in einer Katastrophe enden wird“, berichtet Zlomuzica. „Entgegen ihrer Erwartung kommt dann aber etwas Gutes dabei heraus, sie erleben selbstwirksame Erfahrungen.“ Der Wissenschaftler spricht hier von einer „im positiven Sinne verletzten Erwartung”, welche schließlich in einer gesteigerten Selbstwirksamkeit münde. Dieser Effekt sorge dafür, dass Patienten mit einer Angststörung längerfristig von der Therapie profitieren.