Auf der Suche nach dem ultimativen Adrenalinkick findet manch einer sein Glück in rund 4.000 Metern Höhe: Bei einem Fallschirmsprung werden ordentlich Endorphine freigesetzt. Wer sich erstmals im Tandem mit einem Profi in die Tiefe wagen möchte, muss sich körperlich fit fühlen und bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen erfüllen. Neben dem klassischen Sprung aus einem Flugzeug werden Varianten des Extremsports immer beliebter.
Die Phase des freien Falls dauert maximal 60 Sekunden, doch die Erinnerung an das Erlebnis hält eine Ewigkeit: Bei vielen Menschen steht das „Abenteuer Fallschirmsprung“ auf der sogenannten Bucket List, einer Aufzählung mit Dingen, die man im restlichen Leben gerne noch absolvieren oder erreichen möchte. Wer sich diesen Traum erstmals erfüllt, springt gemeinsam mit einem professionellen Tandemmaster nach einem Steigflug auf bis zu 4.000 Metern hinab ins Glück. Zuvor erfolgt am Boden eine gründliche Einweisung, bei der sich alles um die Ausrüstung, notwendige Sicherheitsvorkehrungen sowie den generellen Ablauf des Tandemsprungs dreht. Auch Casey Pruett (53) befand sich einst an genau diesem Punkt, als er im Sommer 2011 seinen ersten Fallschirmsprung im Duett wagte: „Meine damaligen Erwartungen waren, dass es sehr überwältigend und aufregend sein würde. Und beides ist definitiv eingetreten! Dieses Erlebnis hat dazu geführt, dass ich noch einmal springen wollte, um eben diese ganz besondere Aufregung noch mehr genießen zu können.“ Und das tat der US-Amerikaner, der seit über 20 Jahren in Köln lebt und arbeitet, immer wieder: Heute blickt er auf über 1.850 Fallschirmsprünge zurück, die allesamt von Beginn an in einem Sprungbuch notiert wurden. Die klassische Ausbildung, der sogenannte Accelerated Freefall-Kurs (AFF), erlaubt es Pruett heute, auch Solosprünge durchzuführen – sein Wissen kann er zudem inzwischen auch selbst als AFF-Coach in entsprechenden Kursen an Schüler weitergeben.
Persönliche Fitness und klare Ausschlusskriterien
Die körperlichen und gesundheitlichen Anforderungen sind für Fallschirmspringer zwar gering, dennoch gelten gewisse Grundbedingungen: Das Körpergewicht des Sprungwilligen sollte zwischen 45 und 95 Kilo liegen; die Mindestkörpergröße beträgt 1,55 Meter. Zudem hat die medizinische Arbeitsgruppe des Deutschen Fallschirmsport Verbandes (DFV) Untersuchungs- und Beurteilungskriterien als Empfehlung für die ärztliche Tauglichkeitsuntersuchung von Fallschirmspringern herausgegeben. Demnach könne der Sport heute von jedem durchschnittlich Gesunden betrieben werden (Mindestalter 16 Jahre), da beispielsweise die Anforderungen an den Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System in der Regel geringer sind, als bei vielen anderen Sportarten. Auch Casey Pruett weiß: „Ein Tandemsprung erfordert keine langwierige Vorarbeit und kann von den meisten gesunden Menschen durchgeführt werden. Die persönliche Fitness sollte man natürlich dennoch gut einschätzen können, da es besonders bei der Landung auch mal etwas ruppig werden kann.“ Klare Ausschlusskriterien für einen Sprung seien laut DFV etwa manifeste koronare Herzerkrankungen, Hochdruck mit Blutdruckwerten über 180/100 mmHG in Ruhe, akute und chronische Erkrankungen der Atmungsorgane oder auch schwere Bewegungseinschränkungen und Instabilität der Wirbelsäule. „In der Regel gibt es eine rund 15-minütige Einweisung zum Ablauf und zur erforderlichen Körperhaltung”, ergänzt Casey Pruett. „Dazu zählen während des Sprungs ein gebogener Rücken sowie angewinkelte Arme und Beine. Während der Landung müssen zudem die Beine angehoben werden, um Verletzungen zu vermeiden. Und dann kann es auch schon losgehen!“ Ein ärztliches Attest ist bei einem Tandemsprung nicht notwendig, da die komplette Kontrolle während des Sprungs beim Tandemmaster liegt.
Ob nun Anfänger oder Profi: Der Absprung aus solch schwindelerregenden Höhen löst immer einen enormen Adrenalin-Kick aus. Somit sollten sich Sprungwillige bei der Bewältigung dieser Extremsituation nicht nur fit und gesund fühlen, sondern auch ihre Sinne schärfen. Casey Pruett: „Aufmerksamkeit und Konzentration sind in der Tat sehr wichtig und sollten nicht unterschätzt werden. Letztlich muss man bei jedem Sprung erneut aktiv sein eigenes Leben retten und den Fallschirm öffnen. Erfahrene Springer sagen daher oft, dass bei jeder Öffnung ein Problem einkalkuliert werden sollte, damit das Gehirn jederzeit darauf vorbereitet ist, sofort zu reagieren – auch wenn dies glücklicherweise selten der Fall ist.“ Es versteht sich dabei von selbst, dass der Konsum von Alkohol und Drogen rund um einen Fallschirmsprung strengstens untersagt ist. Vielmehr handelt es sich um einen Sport, der aktives Mitwirken erfordert. „Das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten kann schnell zu Nachlässigkeiten führen und ist leider – wie bei vielen anderen Dingen im Leben – ein Grund für Unfälle“, warnt der Experte.
Horizontal im Wingsuit durch die Luft
Eine Variante des Fallschirmsprungs, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut, ist das Wingsuit-Fliegen. Bei dieser Disziplin gleiten die Protagonisten in einem speziellen Flügelanzug (engl.: Wingsuit) mit bis zu 180 km/h mehrere Kilometer horizontal durch den Luftraum, bevor sich der Schirm öffnet. Das verschafft im Gegensatz zum klassischen Fallschirmsprung zusätzliche Bewegungsfreiheit und bietet ein völlig neues Flugerlebnis. Wer in solch einen Wingsuit schlüpfen möchte, muss einige komplexe Faktoren bedenken. So braucht es hier zuvor mindestens 200 Fallschirmsprünge sowie das Durchlaufen eines Kurses mit einem ausgebildeten Wingsuit-Coach. „Das ist notwendig, um sichere Absprünge vom Flugzeug zu tätigen und den Wingsuit stabil fliegen zu können. Auch muss der Weg zum Landeplatz sicher navigiert und der Fallschirm reibungslos geöffnet werden“, berichtet Casey Pruett, der auch bei diesem Extremsport längst auf den Geschmack gekommen ist. „Anschließend folgen ein bis zwei Sprünge mit dem Wingsuit-Coach, bei denen diese Fähigkeiten geprüft werden.“ Mit der nötigen Erfahrung sind im speziellen Flügelanzug neben dem eigentlichen Gleiten auch Performance-Wettkämpfe, Formationsflüge und weitere festgelegte Figuren im freien Fall möglich. Das Material eines Wingsuits ist dabei ähnlich dem eines Fallschirms, allerdings wesentlich stärker und beständiger. Es gibt verschiedene Hersteller, die mit unterschiedlichen Modellen arbeiten. Grundlegend ähneln sie sich jedoch alle: Im Material finden sich verschiedene Luftkammern, mittels derer der Anzug durch den Luftstrom unter Druck gesetzt wird und somit besser fliegen kann. Auf diese Weise verwandelt sich der Anzug quasi in einen „Flügel“.
Mit Blick auf die Absprungstellen und Landeplätze, die beim Wingsuit-Fliegen infrage kommen, gilt es zu differenzieren: Während beim Sprung aus einem Flugzeug oder Hubschrauber feste Landeplätze des organisierenden Sprungplatzes existieren, handelt es sich beim sogenannten BASE-Jumping um eine komplett andere Disziplin mit entsprechend variierter Ausrüstung. „Da erfolgen die Sprünge von Gebäuden, Antennen, Brücken, Bergen und auch Kliffs“, erklärt Casey Pruett (Building, Antennae, Spans and Earth). Auf rund 850 Wingsuit-Sprünge bringt es der Wahl-Kölner mittlerweile – gibt es da überhaupt noch neue Herausforderungen oder Trends, die er ausprobieren möchte? „Eine spannende Disziplin, der ich gerne mehr nachgehen möchte, ist das sogenannte XRW, bei dem eine Person, die sich bereits unter einem Fallschirm befindet, sehr nahe zu einem Wingsuiter fliegt, oder sich sogar mit ihm verbindet.“ Es scheint also was dran zu sein: The sky is the limit.
Der Deutsche Fallschirmsportverband
Der Deutsche Fallschirmsport Verband e. V. (DFV) vertritt die Interessen des Outdoor- und Indoor-Freifallsports in Deutschland und fungiert als Beauftragter des Bundesinnenministeriums zur Lizenzvergabe im Fallschirmsport: „Grundlagen für sicheres und gekonntes Ausüben des Fallschirmspringens sind körperliche und geistige Fitness, eine fundierte Ausbildung und eine hochentwickelte Technik – sie sind erlern- und trainierbar.“ Für entsprechende Voraussetzungen macht sich der DFV seit 1992 stark. Gleichzeitig engagiert sich der Verband für ein sicheres Fallschirmspringen und informiert zu den Themen Medizin und Gesundheit. Aspekte wie Ausbildung und Lizenz sowie Weiterbildung und Sprungplätze fallen ebenfalls in den Aufgabenbereich des DFV.