Fachkräftemangel – nach der Pandemie könnte man ihn als Epidemie bezeichnen: Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Freier Berufe (BFB) mit 3.500 Teilnehmenden fehlen den Freien Berufen in ihren Teams 46.000 Auszubildende, 236.000 Fachkräfte und 60.000 freiberuflich Tätige. In Bezug auf 4,5 Millionen Beschäftigte sind das massive Lücken. Ende 2019, bei der letzten Befragung durch den BFB, lag die Zahl unbesetzter Stellen noch bei ca. 300.000 – ein Trend, der fortschreitet: Jeder dritte Freiberufler rechnet im kommenden Jahr mit einem höheren Personalbedarf und jeder zweite damit, die offenen Stellen nicht besetzen zu können. Breitet sich die Fachkräftemangelepidemie weiter aus, fehlt nicht nur ein vielleicht verzichtbares Produkt im Regal, sondern auch eine gesellschaftlich unverzichtbare Dienstleistung. Aber welche Maßnahmen können ergriffen werden, um neben dem Praxistagesgeschäft aktiv ins Recruiting zu gehen?
Neben der Ausschreibung von Stellenanzeigen auf der eigenen Praxiswebsite, in Printmedien oder Online-Jobportalen haben sich Social-Media-Kanäle als nützliches Recruiting-Tool bewährt. Doch nach welchen Kriterien wählt man die Kanäle aus? Welche Bildsprache kommt zum Einsatz? Wie erreicht man die Zielgruppen am besten?
Social-Media-Marketing für Recruiting: den passenden Kanal auswählen
Bei der Frage des Kanals muss man sich im Vorfeld darüber klar werden, welchen Personenkreis man ansprechen möchte: Azubis, Studenten oder Professionals. Anhand des Kanals wird die Tonalität der Recruiting-Instrumente festgelegt. Als Beispiel: Eine Hausarztpraxis möchte potentielle Azubis – eine junge Zielgruppe – erreichen. Die Bildsprache sollte demnach zeitgemäß und jugendlich sein, um junge Menschen zu animieren, mehr über die Ausschreibung erfahren zu wollen. Auch der Kanal orientiert sich daran: die jüngeren Zielgruppen sind häufiger auf Instagram oder Facebook unterwegs (beide gehören zu den Meta Platforms) – auch auf TikTok, allerdings ist es aufgrund der Datenschutzbestimmungen der Plattform nicht empfehlenswert, diese für das Recruiting zu verwenden. Wichtig zu wissen: Junge Menschen lassen sich auf den Kanälen der Meta Platforms eher beruflich inspirieren, als dort aktiv auf Stellensuche zu gehen. Dennoch sind Recruiting-Maßnahmen auf diesen Kanälen keine vergebliche Liebesmüh, sondern bereiten den Weg und stärken die eigene Arbeitgebermarke, die hier aktiv Imagewerbung betreiben kann.
Kleine Exkursion zur Imagewerbung:
Sie bietet, kurz zusammengefasst, weniger Zahlen, Fakten oder konkrete Angebote, sondern kommuniziert eher „emotionale“ Faktoren wie die Stimmung in der Praxis und das Ansehen bei den Patienten etc. Sie ist nicht nur fürs Recruiting wichtig – hier wird die Sympathie zwischen Praxis und allen Zielgruppen ausgebaut und verstärkt. Was wiederum dazu führen kann, dass der persönliche Bezug intensiviert wird. Ein gut ausgebautes Image mit einem gewissen Bekanntheitsgrad einer Praxis kann u. U. später auch eine Praxisüber-/abgabe erheblich erleichtern, weil diese sich gut am Markt positioniert hat und das auch aktiv kommuniziert.
Zurück zu den Meta Platforms:
Wer sich auf eine Zielgruppe festgelegt hat, kann die Tonalität bestimmen, in der sich die Praxis präsentieren möchte. Hierzu sind inhaltlich wichtig: Art der Ausschreibung, Praxismerkmale bzw. Arbeitsumfeld, Leistungsbeschreibung sowie mögliche Benefits für die zukünftigen Arbeitnehmer. Wenn diese Eckdaten stehen, werden sie in ein zur Praxis passendes Layout gepackt und die Recruiting-Arbeit kann losgehen. Zu den eigentlichen Ausschreibungen sollten regelmäßig auch News aus der Praxis veröffentlicht werden. Dieser Traffic sorgt dafür, dass die Zielgruppe sieht, wie lebendig die Praxis ist. Das macht Appetit auf mehr. Ein Vorteil bei der Nutzung dieser Kanäle der Meta Platforms: Der Input, der bspw. auf Facebook veröffentlicht wird, kann parallel auch für Instagram genutzt werden.
Wo erreicht man die Professionals?
Wer gezielt nach Talenten auf die Suche gehen will, kommt an den größten Business-Netzwerken nicht vorbei: XING und LinkedIn. Neben dem fachlichen Austausch in Gruppen, wie bei XING, können Recruiter aktiv auf Talentsuche gehen. Beide Plattformen bieten hierfür kostenpflichtige Tools an:
- Den onlyfy TalentManager by XING
- Den LinkedIn Recruiter
Die Kosten richten sich jeweils nach Größe des Unternehmens sowie unterschiedlichen Erweiterungen. Wichtig zu wissen: XING ist in der Kostengestaltung transparenter als LinkedIn und bedient als deutsches Unternehmen Fachkräfte aus der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz). Wohingegen LinkedIn weltweit Talente erreicht. Natürlich erreichen beide Plattformen nur die Fachkräfte, die hier ein Profil haben und beide Tools arbeiten nur so gut, wie sie mit Daten „gefüttert“ werden. Es gibt umfangreiche Filterfunktionen, die mit Hilfe von Schlüsselwörtern passende Suchergebnisse liefern. Die Ausgestaltung der Talentsuche ist entsprechend umfangreich und lohnt sich für Unternehmen, die im großen Stil nach Talenten suchen müssen: Bei der Nutzung der Tools werden Kandidaten vorgeschlagen, in einen entsprechenden Pool aufgenommen und u. U. sogar direkt kontaktiert. Die Verwaltung erfolgt in Teams, die bei der Einrichtung angelegt werden. Entsprechend können alle Team-Mitglieder auf den jeweiligen Recruiting-Status zugreifen, was die Arbeit effizient hält, da der gesamte Bewerbungsprozess in einer Oberfläche vereint wird. Infos zu den Recruiter-Produkten beider Plattformen finden Sie hier:
Online-Communitys: Qualität statt Quantität
Wer über die reine Stellenanzeige und Talentsuche per Tool hinaus Zeit investieren möchte und auch kann, kann sich innerhalb der Online-Plattformen in passenden Gruppen auf die Suche begeben. Die Funktion (beruflicher) Netzwerke als informelle Jobbörse, jenseits der bekannten Karriereplattformen, ergibt sich fast von selbst: Ein Mitglied sucht nach einer beruflichen Veränderung, ein anderes braucht dringend neue Mitarbeitende mit einer spezifischen Qualifikation. Hier kann der Multiplikatoreffekt genutzt werden, damit beide Seiten zusammenfinden. Ein netter Nebeneffekt durch den direkten und persönlichen Austausch ohne offensichtliche (An)Werbemaßnahmen: es entsteht ein ungefilterter Eindruck beider Parteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hinzu kommt der Empfehlungsfaktor, der aus der Schwarmintelligenz der Community entsteht. Wichtig ist beim Recruiting innerhalb von Communitys: Es geht darum, mit Personen ins Gespräch zu kommen und aktiv an der Community teilzuhaben. Durch den informellen Ansatz kann so ein unkomplizierter Bewerbungsprozess realisiert werden. Den gleichen Effekt erzielt man auf Netzwerkveranstaltungen: Man trifft neue Leute, kommt ins Gespräch, auf einer persönlichen Basis – ohne die konservativen Gesichtspunkte, die man bei einem klassischen Bewerbungsverfahren anwenden würde. Arbeitgeber können im Online-Austausch so Synergieeffekte erzielen, die Algorithmen niemals zu Tage gefördert hätten.
Zur passenden Community navigieren:
Wer bereits Social-Media-Kanäle bedient, kann hier gleich mit der Suche beginnen. Man muss sich auf die Suche nach zielgruppenrelevanten Gruppen begeben und diesen beitreten. Dort gibt es unterschiedliche Ansätze zu Themen, die bereits diskutiert werden. Man kann hier auch per offener Frage herausfinden, ob man richtig ist oder weiter navigieren muss: Z. B. „Ich bin neu hier und möchte mehr über eure Community und eure Themen erfahren.“ Es gilt also, irgendwo anzufangen und konsequent dazuzulernen. Dieser Weg ist ein bisschen zeitintensiver, aber je besser man die Community versteht, desto schneller können zukünftig passende Talente identifiziert, angesprochen und gewonnen werden.
Die Arbeitgebermarke – das sind wir
Welche Strategie man bei der Personalgewinnung auch fährt – Online-Stellenanzeigen über die Kanäle der Meta Platforms, Talentsuche bei XING oder den zielführenden Austausch innerhalb der Communitys: Auf allen Kanälen herrscht ein Geben und Nehmen und für alle werden zeitliche Kapazitäten benötigt. Hier kann und sollte man sich Hilfe von Marketing-Fachleuten holen, die beim Aufbau der eigenen (Arbeitgeber)Praxismarke unterstützen: Beim konsequent genutzten Design und Wording bis hin zum Kommunikationscoaching, um in Communitys gut auftreten zu können. Der Arbeitsmarkt hat sich stark gewandelt, hin zu einem Arbeitnehmermarkt. Wer für sich die passende Strategie entwickelt und diese langfristig konsequent fährt, kann sich damit vom Grundrauschen abheben, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.
DIE NEUE SERIE // TEIL III
Social-Media-Marketing in der Praxis
in Kooperation mit mm-mannheim.de