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Lohnt sich der Acker im Hinterhof?

Lohnt sich der Acker im Hinterhof?

Grüner Lebensraum inmitten der Großstadt: Urban Gardening macht's möglich! Fotos: © sururu, AYAimages - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Urban Gardening-Projekte liegen seit Jahren im Trend: Zwar sind die Möglichkeiten fürs städtische Begrünen im kleinen Maßstab begrenzt, doch mit Einfallsreichtum und Leidenschaft finden sich auch zwischen Hochhäusern oder auf Parkhausdächern immer wieder fruchtbare Böden. Die sozialen und ernährungsphysiologischen Vorteile des urbanen Anbaus von Obst und Gemüse liegen auf der Hand – doch ist er auch klimafreundlich? Eine internationale Studie liefert nun Antworten.

In unseren immer dichter besiedelten Städten fehlt es zusehends an Platz für eigene Grünflächen, Gemüsebeete oder Schrebergärten. Immerhin: Etwa 37 Millionen private Gärten existieren laut des Datenportals Statista derzeit in Deutschland. Doch längst nicht allen Besitzern stehen dabei die rund 485 Quadratmeter zur Verfügung, die hierzulande durchschnittlich bewirtschaftet werden. Dass es aber auch ohne viel Platz möglich ist, sich mit grünem Daumen zu verwirklichen, beweist der Urban Gardening-Trend: Diese Form des Gärtnerns auf kleinem Raum reicht von der Zimmerpflanze auf der Fensterbank, über das Hochbeet im Hinterhof, bis hin zur Selbstversorgung dank geteiltem Acker in der Nachbarschaft. Mit privaten oder gemeinschaftlichen Projekten holen Gartenenthusiasten so die Natur in die Stadt – die Ideen für die Begrünung plus Gemüseanbau erscheinen hier unendlich.

Entstanden ist Urban Gardening in den 1970er-Jahren, und zwar in einer Metropolregion, die schon zu dieser Zeit knapp 8 Millionen Einwohner zählte: New York City. Bürger der Stadt besetzten damals kurzerhand brachliegende Areale und legten dort erste urbane Gärten an. Die nachfolgende Entwicklung sollte ihnen Recht geben, denn heute hält die Stadt New York über 600 Flächen für das gemeinschaftliche Gärtnern bereit. Tatsächlich existiert mittlerweile sogar ein von verschiedenen Initiativen und Aktivisten formuliertes „Urban Gardening Manifest“, das die politische Verortung der Bewegung zum Ausdruck bringen soll. Darin heißt es unter anderem: „Urbane Gärten sind unser Lebensraum, hier begegnet sich Vielfalt, hier wachsen Perspektiven, denn hier entsteht eine auf Nachhaltigkeit gegründete Gesellschaft. Wir wollen, dass diese Gärten dauerhaft Wurzeln schlagen. Die Stadt ist unser Garten.“ Und tatsächlich: Längst werden begrünte Dächer und Fassaden schon bei der Planung neuer Bauprojekte mit berücksichtigt. Da sich unsere Städte in den Sommermonaten immer mehr aufheizen, wirken solche grünen Flächen wie eine natürliche Klimaanlage.

Wie groß ist der CO2-Fußabdruck?

Ohne Frage: Wer sein Obst und Gemüse in städtischen Gemeinschaftsgärten, auf begrünten Dächern oder im sonnigen Hinterhof gedeihen lässt, setzt auf einen regionalen und saisonalen Anbau. Doch wie steht es um die Klimabilanz des Urban Gardenings? Fällt der CO2-Fußabdruck der städtischen Gärten gar größer aus als jener, den die konventionelle Landwirtschaft hinterlässt? Diesen Fragen ist ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) aus Dortmund nachgegangen. Im Zuge der Studie „Comparing the carbon footprints of urban and conventional agriculture“ untersuchte die Gruppe aus Wissenschaftlern 73 landwirtschaftliche Stadtgärten in Europa und den Vereinigten Staaten: Ziel war es, die dort geernteten Produkte mit Lebensmitteln aus konventionellen Betrieben zu vergleichen. Dabei wurde das Team bei der Datensammlung von den jeweiligen Gärtnern unterstützt. Vom ILS ist zu erfahren: „Für jeden Standort berechneten die Forschenden die klimabeeinflussenden Treibhausgasemissionen, die mit den Materialien und Aktivitäten auf dem Hof während der gesamten Lebensdauer des Betriebs verbunden sind. Die Emissionen wurden dann mit Lebensmitteln verglichen, die mit herkömmlichen Methoden erzeugt wurden.“ Die internationale Studie unter Leitung der University of Michigan hat zutage gebracht, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck von Obst und Gemüse, das in städtischen Betrieben und Gärten angebaut wird, im Durchschnitt sechsmal größer ist als bei klassisch erzeugten Produkten. „Einige wenige in der Stadt angebaute Pflanzen konnten jedoch unter bestimmten Bedingungen mit der konventionellen Landwirtschaft gleichziehen oder sie sogar übertreffen“, hält das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in einer Pressemitteilung fest.

Welche Faktoren spielten bei der Datensammlung eine Rolle? Die urbanen Gärtner hielten per Tagebuch fest, was bei der Ernte an Obst und Gemüse schlussendlich auf der Ertragsseite landete. Ebenso schrieben sie auf, welche Ressourcen dabei verbraucht wurden – beispielsweise Wasser, Dünger oder Mittel zur Schädlingsbekämpfung. Und auch das Material, das es fürs urbane Gärtnern neu zu beschaffen galt, floss in die Erfassung mit ein. Dazu zählten etwa Gießkannen oder frisches Holz für Zäune und Hochbeete, das mit dem Auto aus dem Baumarkt besorgt werden musste. Während solche Mittel beim Obst- und Gemüseanbau auf großen Feldern effektiver zum Einsatz kommen, werden städtische Gartenanlagen schlichtweg viel zu kurzfristig bewirtschaftet. Es ist demnach die Infrastruktur, die hier als größter CO2-Verursacher auszumachen ist: Auf dem ländlichen Acker findet der Anbau eben im großen Stil statt, weshalb es dort beispielsweise pro Kilogramm Ernte auch weniger Dünger braucht.

Standorte klimaschonender gestalten

„Sollte man die Schaufel in der Stadt also wieder zur Seite legen?“, fragte man sich nach Veröffentlichung der Studie nicht nur beim ILS in Dortmund. Mitnichten, so die Schlussfolgerung der Autorinnen und Autoren, die an der Untersuchung beteiligt waren. Urban Gardening böte eine Reihe sozialer, ernährungs- und umweltbezogener Vorteile. Es fördere das Gemeinschaftsgefühl, sei gut für die Psyche und vermittle den Menschen in der Stadt wertvolles Wissen über den Anbau von Obst und Gemüse. Die Aufgabe sei es jetzt, die Produktion an städtischen Standorten klimaschonender zu gestalten. Die Forschenden haben dazu auf Grundlage ihrer Ergebnisse Vorschläge erarbeitet: So sei es empfehlenswert, ausgediente Hochbeete oder Schuppen zu reparieren und weiter zu benutzen, statt mit zusätzlichem Material eine neuere Version anzufertigen. Hochbeete mit einer Nutzungszeit von lediglich fünf Jahren besäßen pro Portion Lebensmittel eine rund viermal so hohe Umweltbilanz wie ein Pendant mit 20-jähriger Bewirtschaftung. Auch das Thema „Upcycling“ könne hier eine Rolle spielen, lieferten doch Stadtabfälle wie Bauschutt zum Beispiel die passenden Steine für einen Trampelpfad im urbanen Garten. Ausrangierte Stahlgerüste oder alte Euro-Paletten wiederum ließen sich als Rankhilfen verwenden.

Tipps wie diese tragen nicht nur zur Verbesserung der Klimabilanz des städtischen Gärtnerns bei – sie dienen auch den Menschen, die mit dieser kreativen Form der Landwirtschaft den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl in unseren mitunter anonymen Großstädten stärken möchten. Schon kleine Grünflächen fördern darüber hinaus den Natur- und Artenschutz, fühlen sich Insekten doch zwischen Blumen und Gräsern bestens aufgehoben. So gilt auch für Urban Gardening-Projekte: Aus kleinen Ideen kann gemeinsam Großes erwachsen. RT•

ils-forschung.de

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