Den Job im Büro aufgeben und ein gänzlich neues Kapitel aufschlagen: So manch einer träumt davon. Die 26-jährige Karolin Kühl hat diesen spannenden Schritt gewagt und kürzlich in einer kleinen norddeutschen Gemeinde ihre eigene Eisbar eröffnet. Heute weiß die Ladeninhaberin, dass der Weg in die Selbstständigkeit nie ohne Hindernisse verläuft. Gleichzeitig beweist ihr die dankbare Kundschaft aber auch, wie wichtig solch ein Anlaufpunkt abseits der Großstadt sein kann.
Wenn die Temperaturen im Frühling klettern, dreht sich bei kleinen und großen Eisfans endlich wieder alles um so essentielle Fragen wie „Becher oder Waffel?“, „Klassiker oder ausgefallene Kreation?“ sowie „Karamell- oder Streusel-Topping?“. Während an den Touristen-Hotspots oder in den Fußgängerzonen deutscher Großstädte die Auswahl an Eisdielen groß ist, müssen Schleckermäuler in kleineren Ortschaften schon genauer hinschauen: Dort sind es meist alteingesessene Salons, die über Jahrzehnte von ihrem Stammpublikum angesteuert werden. So auch in Uetersen, einer Kleinstadt im Kreis Pinneberg in Schleswig-Holstein. Das 20.000-Einwohner-Städtchen liegt rund 30 Kilometer von Hamburg entfernt und verfügt über exakt zwei Eisdielen – eine davon trägt den Namen Tommys Eisbar und blickt mittlerweile auf eine 35-jährige Geschichte zurück. Karolin Kühl hat das Traditionsgeschäft vom Vorbesitzer erworben und nun unter bewährtem Namen, aber in neuen Räumlichkeiten im Herzen Uetersens wiedereröffnet. „Hier leben viele Berufspendler, die in der Woche in Hamburg arbeiten. Insbesondere an den Wochenenden verbringen sie die Zeit zuhause und gehen dann mit Familie oder Freunden gerne Eis essen“, weiß die Ladenbesitzerin. „Durch die zentrale Stadtlage und Nähe zum Park Rosarium hat sich die Eisbar fast schon zu einem Treffpunkt entwickelt.“
Bis hierhin klingt die Story rund um Tommys Eisbar wie eine, die sich hier und da auch in anderen deutschen Kleinstädten ereignet. Es lohnt sich aber ein Blick auf den Weg, den Karolin Kühl bis zur Eröffnung ihres Ladenlokals zurückgelegt hat. Als gelernte Bürokauffrau hat sie sich nämlich nicht nur räumlich, sondern eben auch beruflich verändert: „Ich wollte gerne etwas Handwerkliches machen und mich dabei mehr selbst verwirklichen. In einem Bürojob habe ich diese Möglichkeiten für mich nicht gesehen.“ Als Karolin Kühl zufällig von dem beabsichtigten Verkauf der ursprünglichen Eisbar erfuhr, nutzte sie die Gelegenheit. Den Entschluss, so berichtet die 26-Jährige heute, habe sie sich jedoch nicht leicht gemacht: „Mir war klar, dass das keine 40-Stunden-Woche sein wird, die mich da erwartet – und dass eine Selbstständigkeit einige Risiken mit sich bringt. Außerdem habe ich großen Respekt vor der Mitarbeiterführung, immerhin sind in der Eisbar 14 Personen als Minijobber im Schichtdienst beschäftigt.“
Kein Abenteuer ohne Herausforderungen
Im Herbst 2023 ging das Projekt „Tommys Eisbar“ direkt am Uetersener Marktplatz an den Start. Außerhalb der Saison galt es im ersten Schritt die auserkorenen Räumlichkeiten zu entkernen und anschließend neu auszubauen. Dort, wo heute täglich 24 verschiedene Eissorten über die Ladentheke gehen, wurde die gesamte Elektrik erneuert und auf die Anforderungen der Eismaschinen abgestimmt. Ein Kälte- und Klimatechniker musste zudem eine neue Wärmepumpe, eine Klimaanlage sowie Kompressoren installieren. Karolin Kühl erinnert sich: „Unzählige Handwerker wie Klempner, Fliesenleger, Maurer, Trockenbauer, Maler und Tischler haben sich hier die Klinke in die Hand gegeben.“ Kurz vor der beabsichtigten Eröffnung dann der Schock – eine wasserführende Leitung wurde nicht verpresst, sodass einige Tage lang Wasser unter den Estrich lief. „Viele Trockenbauwände hatten sich bereits mit Wasser vollgesaugt und mussten wieder entfernt werden“, schildert Kühl rückblickend. „Eine professionelle Firma hat zwei Wochen lang Geräte zur Trocknung aufgestellt, dafür wurden Löcher in viele neue Fliesen gebohrt.“ Die Eröffnung von Tommys Eisbar fand aus diesem Grunde zwei Wochen später als geplant statt. Auch solche Herausforderungen zählen zu dem Abenteuer, in das Karolin Kühl sich nach dem Ablegen ihres Bürojobs begeben hat.
Gänzlich ohne fachlichen Background ist die Geschäftsführerin allerdings nicht in die Selbstständigkeit gestartet, entstammt sie doch einer Unternehmerfamilie, die ihr von Beginn an mit den wichtigsten Tipps und Informationen zur Seite stand. Und doch musste sich Karolin Kühl vieles selbst erarbeiten, denn in den Schoß sei ihr nichts gefallen: „Wer sich heute selbstständig machen will, muss ein hohes Maß an Mut aufbringen. Ebenso wichtig ist die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – einerseits für sich selbst, aber natürlich auch den Mitarbeitern gegenüber.“ Zudem müsse man sich von dem Gedanken einer Vier- oder Fünf-Tage-Woche verabschieden. Wer aber fleißig und auch entschlossen sei, für den könne sich solch ein Wagnis auszahlen. So genoss Karolin Kühl bei der Gestaltung ihrer neuen Eisbar absolut freie Hand: Damit ihre Kunden beim Besuch ein Gefühl von Sonne und Sommer verspüren, setzte sie bei den eingesetzten Materialien auf warme Farben sowie karibische Motive an den Wänden.
Frische Zutaten aus der Region
Mitte März 2024 war es dann endlich soweit und Tommys Eisbar öffnete seine Pforten! Im Vorfeld durfte die potentielle Kundschaft per Social Media abstimmen: Welche leckeren Kreationen sollen den Premierentag versüßen? Neben Bewährtem wie Pistazie, Schokolade und Walnuss tummelten sich da auch Vorschläge à la Lakritz, Salted Caramel oder Minze in der Kommentarspalte. Das zeigt zum einen, dass die Geschmäcker eben verschieden sind. Zum anderen aber auch, wie vielfältig der eisige Genuss daherkommt. Karolin Kühl setzt hinter ihrer Ladentheke daher auf einen ausgewogenen Mix: „Man braucht natürlich seine Stammsorten, die sich jederzeit großer Beliebtheit erfreuen. Aber auch die sogenannten Wechselsorten werden immer mal wieder verfeinert oder verändert. Wenn es die Zeit zulässt, probieren wir eine neue Sorte aus und schauen, wie sie ankommt.“ Einige Ideen haben sich laut der Chefin auf diese Weise schon zum Dauerbrenner entwickelt, wie etwa das Banuta Eis – eine Mischung aus Banane, Nougat und Krokant. Gerade das Kreieren neuer Eissorten macht Karolin Kühl besonders viel Spaß, werden diese doch von den Kunden sehr gut angenommen. Von ihrem Vorgänger erhielt sie dankenswerterweise eine umfangreiche und intensive Einarbeitung: „Die Kunst ist es hierbei, das richtige Mischungsverhältnis zu finden, damit das Eis die gewünschte Konsistenz hat. Etwas zu viel oder zu wenig Zucker bewirkt beispielsweise eine andere Gefrierfähigkeit und Streichfestigkeit.“ Da die Sorten in Tommys Eisbar vornehmlich mit frischen Zutaten verarbeitet werden, achtet das Team darauf, dass saisonale Früchte, vorzugsweise aus der Region, zum Einsatz kommen. „Wir befinden uns in einem großen Anbaugebiet, und das eröffnet uns gute Möglichkeiten, direkt vom Obstbauern zu beziehen“, freut sich Karolin Kühl. „Unsere Milch und Sahne erhalten wir ebenfalls von einer Molkerei aus der Region.“
Während die ersten Wochen an Uetersens neuem Treffpunkt für Eisliebhaber geschafft sind, blickt die Ladeninhaberin auf einen überwältigenden Start zurück: „Vom ersten Tag an wurde der neue Standort hervorragend angenommen. Dies ist bestimmt der Neugier geschuldet, aber sicherlich auch dem neuen Style sowie der guten Lage unserer Eisbar mit vielen Parkplätzen vor der Tür.“ Nach dem gelungenen Auftakt steht mit der ersten Sommersaison nun die nächste Bewährungsprobe für das Team an. Da gilt es eben auch, eine gewisse Routine zu entwickeln: „Noch ist vieles neu für mich, aber die Betriebsabläufe verbessern sich von Woche zu Woche“, verrät Karolin Kühl. „Wenn es so weiter läuft wie bisher, bin ich positiv gestimmt für die Sommermonate.“ Die Tatsache, dass sie bereits jetzt schon von vielen Kunden regelmäßig ein tolles Feedback erhält – persönlich oder per Online-Rezension – zeigt, welch großen Wert das vermeintlich alltägliche Angebot einer Eisbar für kleine Städte besitzen kann.