Schönheit, das ist auch heute noch so, liegt im Auge des Betrachters. Doch in Zeiten von Video-Konferenzen, Beauty-Apps und Künstlicher Intelligenz nimmt die Optimierung des Äußeren für viele Menschen eine immer wichtigere Rolle im Leben ein. Dies zeigen auch die Zahlen ästhetisch-chirurgischer Behandlungen in Deutschland: Körperformungen, Hautstraffungen und korrigierende Eingriffe stehen hoch im Kurs. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) beleuchtet jährlich Trends und Tendenzen; ihr Präsident, Dr. med. Alexander P. Hilpert, sieht so manchen Patientenwunsch kritisch.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1972 hat sich die DGÄPC die Qualitätssicherung bei ästhetisch-plastischen Behandlungen auf die Fahne geschrieben: Hierzu zählen neben dem intensiven Austausch unter Kollegen auch Fort- und Weiterbildungen in der Fachdisziplin. Zudem informiert die Gesellschaft seit nun 15 Jahren im Rahmen einer repräsentativen Erhebung objektiv und transparent über die hierzulande aktuellen Patientenwünsche. Dr. med. Alexander P. Hilpert ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und seit 2021 als Präsident der DGÄPC tätig. Er weiß: „Ästhetisch-chirurgische Eingriffe sind ein Luxusgut – der Umfang medizinisch nicht notwendiger Eingriffe ist immer auch von der wirtschaftlichen Lage einer Nation abhängig. Als in der Corona-Hochphase Restaurantbesuche, Urlaube und andere Freizeitaktivitäten nicht möglich waren, hatten viele Menschen nicht nur deutlich mehr Zeit, sondern – je nach beruflicher Situation – eben auch das entsprechende Budget zur Verfügung.” Ebenfalls in diese Zeit fiel das verstärkte Arbeiten im Homeoffice, verbunden mit Videokonferenzen, die für nicht wenige Menschen Neuland darstellten. „Im Zuge dieser Meetings erblickten die Menschen regelmäßig ihr digitales Spiegelbild”, so Hilpert, „plötzlich entdeckten sie Schlupflider, Krähenfüße und Stirnfalten.” Die weitverbreitete Angewohnheit, jederzeit und überall mit dem Smartphone ein Selfie zu schießen, spiele hier laut dem Mediziner eine ebenso gewichtige Rolle: „Niemand möchte auf solch einem Foto schlecht wegkommen. Wir beschäftigen uns heutzutage viel intensiver mit unserem Äußeren als früher.”
Die jährlich erstellte Statistik der DGÄPC bietet Einblicke, Zahlen und Fakten rund um Eingriffe im Bereich der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie. Sie basiert auf Patientenbefragungen, durchgeführt durch die Mitglieder der Fachgesellschaft. Seit mehreren Jahren, so ist zu erfahren, bewegt sich das durchschnittliche Alter der behandelten Frauen und Männer bei 42 bis 43 Jahren; allerdings hat der demografische Wandel bewirkt, dass auch zusehends ältere Generationen für Faltenunterspritzungen, Oberlidstraffungen und Fettabsaugungen die Praxen aufsuchen. Gleichzeitig haben die verstärkte Nutzung von Social Media und das Einwirken von Influencern zur Folge, dass auch immer jüngere Menschen mit Behandlungswünschen an die Chirurgen herantreten. Dr. Alexander P. Hilpert sieht das kritisch: „Wir sprechen da von retuschierten, digital veränderten Fotos, und mittlerweile sogar von KI-generierten Bildern. Auf den Plattformen bewegen sich Influencer, die mittels künstlicher Intelligenz geschaffen wurden, und die eine riesige Anzahl an Followern versammeln. Das sind computergenerierte, nicht existente Wesen, die Menschen in der realen Welt beeinflussen.”
Schönheitstrends und gewisse „Influencer", so der Experte, habe es schon immer gegeben – ob etwa Nofretete im Alten Ägypten, das Modephänomen Twiggy in den 1960er-Jahren oder auch das Model Kate Moss, das um die Jahrtausendwende mit tiefgeschnittenen Jeanshosen einen Boom auslöste. „Vermehrt erschienen da vor rund 20 Jahren Frauen in den Arztpraxen, mit dem Wunsch nach einer Fettabsaugung an der Hüfte.” Heute vollziehe sich die Verbreitung neuer Trends allerdings ungemein schneller.
Kein Eingriff ohne ausführliche Beratung
Suchten früher Patienten mit einer Illustrierten oder eigenen Fotos den Facharzt auf, um Änderungswünsche zu äußern, wird heute in den Praxen für Ästhetisch-Plastische Chirurgie das Smartphone gezückt. So erlauben es spezielle Apps beispielsweise mittels Morphing, bestimmte Körperregionen digital zu bearbeiten – Nase, Po und Brüste nach Wunsch, sozusagen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung setzt sich Dr. Alexander P. Hilpert in seiner Rolle als DGÄPC-Präsident für die Kennzeichnungspflicht von digital veränderten, und mittlerweile auch KI-generierten Bildern im Internet ein: „Ich halte solch eine Kenntlichmachung, wie sie in Frankreich, Israel, England oder auch Norwegen mittlerweile gesetzlich geregelt ist, für absolut richtig. Denn Internet-User im Alter von 13 oder 14 Jahren sind in ihrer Selbstwahrnehmung nicht so gefestigt, wie es Erwachsene bestenfalls sind.” Auch aus diesem Grunde finden in der Düsseldorfer Praxis des Ästhetisch-Plastischen Chirurgen ohne medizinische Indikation keinerlei Eingriffe statt, bevor ein Patient das 18. Lebensjahr erreicht hat. Ähnlich klar ist Hilperts Haltung zu „Vorher-Nachher-Bildern”, mit denen Ergebnisse ästhetischer Eingriffe bei Instagram & Co. beworben werden: „So lange eine Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Fotos bei uns nicht existiert, gehören solche Bilder meines Erachtens ausschließlich in ein ärztliches Beratungsgespräch.”
An solch einem Beratungsgespräch, das unter anderem Fragen zu Risiken und zur Nachsorge abdeckt, fehlt es leider häufig auch bei ästhetischen Eingriffen im Ausland. Fettabsaugungen, Faceliftings und Brustvergrößerungen werden in Ländern wie der Türkei, Griechenland oder Thailand mitunter als eine Kombination aus Wellness-Urlaub und kostengünstiger OP angepriesen. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie rät ausdrücklich, von einer Operation abzusehen, wenn Zweifel an der Qualifikation des Arztes oder der Ausstattung der Klinik bestehen. „Diese Mahnung soll keinesfalls das Handwerk ausländischer Kollegen infrage stellen”, so Dr. Alexander P. Hilpert. „Was aber geschieht, wenn eine Operation doch misslingt? Wenn Komplikationen auftreten, die einer medizinischen Versorgung bedürfen? Gilt die Versicherung auch im Ausland?” Essenzielle Überlegungen, die von dem Wunsch nach Kosteneinsparungen nicht überlagert werden sollten.
Umdenken durch Body-Positivity-Bewegung?
Ob einst bedingt durch „Lockdown-Gesichter” am PC, retuschierte Instagram-Bilder oder rasant wechselnde Schönheitsideale: Die eigene Optik und der fortwährende Vergleich mit anderen rücken in unserer Gesellschaft merklich in den Mittelpunkt. Bleibt die Frage, wie mit vermeintlichen Makeln und dem daraus resultierenden Selbstbild umzugehen ist. Einen Schritt in die richtige Richtung stellt da der Body-Positivity-Ansatz dar, eine Bewegung, die auf Social Media-Plattformen sowie in der Werbung und Mode die klare Botschaft verkündet: „Jeder Körper ist schön, so wie er ist.” Gezeigte Dehnungsstreifen, Speckröllchen und Curvy-Models propagieren die Akzeptanz des Unperfekten.
Auch Dr. Alexander P. Hilpert kann diesem Gedanken etwas abgewinnen: „Schon vor einiger Zeit begann die Werbung damit, opulentere Models, Frauen mit Pigmentstörungen oder auch Rothaarige mit Sommersprossen und abstehenden Ohren zu zeigen. Auch war es vor drei bis vier Jahren noch undenkbar, so viele grauhaarige Menschen auf Werbeplakaten zu sehen, wie es heute der Fall ist. Hier ist abermals der demografische Wandel unserer Gesellschaft als Grund zu nennen.” Das Gros der Gesellschaft, so der Chirurg, folge derzeit aber eben einer Mode, die von den Medien mitbestimmt wird: Schönheitsideale, getriggert von teils unrealistischen und KI-beeinflussten Körperbildern. Die Erkenntnis, dass das eigene Selbstwertgefühl nicht ausschließlich an das äußere Erscheinungsbild zu koppeln ist, kann jungen Menschen, so scheint es, nicht früh genug vermittelt werden.