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Rückenansicht eines Mannes im Rollstuhl, er hebt triumphierend beide Fäuste vor dem Meer in Abendstimmung

Gemeinsam Hürden überwinden

Wer den Lebensmut nicht verliert, kann aus Krisen gestärkt hervorgehen. Foto: © romaset - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Seit einem schweren Motorradunfall vor sieben Jahren sitzt der Dürener Thomas Moll im Rollstuhl. Dass ihn seitdem zu keinem Zeitpunkt der Lebensmut verließ, hat er vor allem Frau und Familie sowie seinen beiden Kindern (6 und 8) zu verdanken. Gleichzeitig möchte der 38-Jährige auch anderen Betroffenen mit Handicap Mut machen: Niemand muss sich seinem Schicksal ergeben.

An das einschneidende Erlebnis, das sich im April 2013 in der Eifel ereignete, hat Thomas Moll heute keine Erinnerungen. Aus Berichten weiß er, dass er aufgrund eines technischen Defekts an seinem Motorrad in einer Kurve stürzte und unmittelbar in ein entgegenkommendes Auto geriet. Es folgten dreieinhalb Wochen künstliches Koma im Aachener Klinikum und die anschließende Diagnose: Querschnittslähmung von der Hüfte abwärts. Wer heute, sieben Jahre später, mit Thomas Moll spricht, begegnet einem absolut gefestigten Menschen, der in keiner Weise mit dem Schicksal hadert. Viel mehr noch: Der Sturz, so sagt er, hatte sogar positive Konsequenzen.

Um dies zu verdeutlichen, gewährt der einstige Fahrlehrer einen Blick in die Zeit unmittelbar davor: „Ich war damals permanent getrieben und unter Strom, was berufliche und private Ziele betraf. Ohne es effektiv zu merken, habe ich mich gedanklich stets unter Druck gesetzt. Es grenzt an ein Wunder, dass sich nicht schon früher ein Unglück ereignete – im Fahrschulauto beispielsweise.“ Der Unfall habe ihn geerdet: „Die Ruhe, die dadurch gezwungenermaßen in mein Leben trat, die hätte ich mir selber so nie zugestanden.“ Dabei versprachen die Wochen und Monate nach dem Unfall alles andere als Ruhe, erwarteten Thomas Moll und seine Frau damals doch ihr zweites gemeinsames Kind. Eine ohnehin aufregende Zeit, die sich nun unter völlig neuen Vorzeichen ereignete. Auch hier richtete der Familienvater den Blick nach vorn: „Die anstehende Geburt war für mich eine riesige Motivation, klare Gedanken zu fassen und mich bestmöglich wieder »herzustellen«.“ Aufgrund eines fünfeinhalb Monate andauernden Reha-Aufenthalts in Bonn verpasste Thomas Moll zwar viele Ultraschall- und Vorsorgeuntersuchungen; so ganz wollte er sich diese kostbaren Momente dann aber doch nicht nehmen lassen. „Als eine 3D-Ultraschall-Untersuchung angesetzt war, habe ich mich tatsächlich aus der Klinik herausgeschmuggelt“, lacht er heute. „Mein Vater fuhr mich von Bonn nach Kreuzau und auch die Schwestern auf meiner Station drückten ein Auge zu.“ Einen Monat vor der Entbindung konnte Thomas Moll die Klinik offiziell verlassen und ganz normal an der Geburt seines Sohnes teilnehmen. Rückblickend ein große Erfüllung für den heute 38-Jährigen.

Die Kinder intensiv aufwachsen sehen

Dass ihr Vater im Rollstuhl sitzt, ist für Thomas Molls Kinder absolute Normalität. Sie kennen es nicht anders: „Meine Tochter war eineinhalb Jahre alt, als sich der Unfall ereignete. Sie sagt heute, sie könne sich nicht daran erinnern, dass ich mal gelaufen bin.“ Schon als Dreijährige stand sie ihrem Vater dann zur Seite, wenn es galt, kleinere Hürden des Alltags zu überwinden – etwa in Form höhergelegener Regale oder Schränke. „Sie ist mit dieser Hilfsbereitschaft aufgewachsen und total verwurzelt“, berichtet der stolze Papa. Und hier wird nochmals deutlich, weshalb dieser eine Sonntag im April 2013 den Dürener nie in ein emotionales Loch fallen ließ: Er kann seine beiden Kinder intensiver als manch anderer Vater aufwachsen sehen. „Das wäre im Beruf des Fahrlehrers niemals möglich gewesen, denn dieser brachte schon allein wegen der Nachtfahrten absolut familienunfreundliche Arbeitszeiten mit sich. Jetzt kann ich mich viel mehr einbringen, auch in den Schulalltag meiner Kinder. Das empfinde ich als absolut gewinnbringend.“ Thomas Molls Frau arbeitet im Schichtdienst – er selbst bezeichnet sich schmunzelnd als „Hausfrau und Mutter“.   

Was in den eigenen vier Wänden dank familiärem Zusammenhalt bestens funktioniert, bereitet andernorts auch im Jahre 2020 leider immer noch Probleme: So verfügen etwa viele Amtsgebäude zwar über einen barrierefreien Eingang; Büros in den oberen Etagen aber sind mit Rollstuhl nicht zu erreichen. Auch an vielen Bahnhöfen sieht Thomas Moll Verbesserungsbedarf: „Selbst kleine S-Bahn-Haltestellen sind mittlerweile mit Aufzügen ausgestattet. Diese sind aber leider oft nicht funktionstüchtig. Aufgrund meines Schwerbehindertenstatus kann ich die Bahn frei nutzen, muss aber gestehen, dass ich dieses Angebot so selten wie möglich wahrnehme – das Risiko eines defekten Aufzugs am Zielbahnhof ist mir einfach zu hoch.“ Doch auf den Nahverkehr ist der Familienvater glücklicherweise nicht mehr angewiesen, denn auch in Sachen Mobilität hat er sich herangekämpft: Durch die wiedererlangte Restfunktion in Beinen und Hüfte ist es ihm seit rund drei Jahren wieder möglich, ein Auto mit Automatikschaltung zu fahren – inklusive verkehrsmedizinischem Gutachten und TÜV-Bescheinigung. Auch im Familienurlaub sitzt Thomas Moll samt angehängtem Wohnwagen hinterm Steuer und versichert: „Das würde ich niemals tun, wenn ich nur geringste Zweifel hätte oder das Vertrauen meiner Familie fehlen würde.“ Dass sich der vor sieben Jahren Verunfallte sogar wieder auf ein (umgebautes und kippsicheres) Motorrad gesetzt hat, mag objektiv betrachtet nicht nachzuvollziehen sein, jedoch: „Ich war damals zur falschen Zeit am falschen Ort und hatte auf das Unglück keinen Einfluss. Es lag nicht in meiner Macht.“ Eine Art Bewältigungsstrategie.

Ob Glück im Unglück, neuer Lebensmut oder der Rückhalt durch die Familie: Diese Geschichte hat viele Facetten. Vor allem kann und soll sie Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen. Aus diesem Grunde hat Thomas Moll das Projekt „Dein Rollicoach“ gestartet, um im gegenseitigen Austausch Erfahrungen an Betroffene weitergeben zu können: „Das sind vielleicht Ratschläge in puncto Hilfsmittel, Rollstuhlversorgung oder auch Sport. Gemeinsam schauen, was möglich ist. Denn manchmal genügt schon ein Funken Motivation, um mehr zu schaffen, als man sich eigentlich zutraut.“ Da weiß einer, wovon er spricht.

facebook.com/Rollicoach

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