Landen Nahrungsmittel nicht auf dem Teller, sondern in der Tonne, ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch umwelt- und klimaschädlich. So unterschiedlich die Gründe für die Verschwendung von Lebensmitteln sind, so vielfältig gestalten sich auch die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Ein Bäckereiunternehmen aus Süddeutschland macht es vor, indem es aus Brot, das bis zum Abend nicht verkauft wurde, Bier brauen lässt.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist abgelaufen und der Joghurt kommt in den Abfall. Krummes Gemüse entspricht nicht den ästhetischen Standards und schafft es erst gar nicht in den Supermarkt. Und das Brot vom Vortag? Wird nicht mehr angerührt. Bis zu zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen hierzulande jährlich im Müll, der größte Anteil in privaten Haushalten, etwa 55 kg pro Person und Jahr. Besonders ärgerlich: Nicht selten handelt es sich bei den entsorgten Produkten um noch genießbare Lebensmittel, die etwa nur aufgrund des überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums in den Abfall wandern.
Das MHD dokumentiert allerdings lediglich den Zeitpunkt, bis wann ein Lebensmittel bei sachgerechter Lagerung mindestens haltbar ist – und nicht, dass es einen Tag nach Ablauf automatisch verdorben ist. Anders verhält es sich beim Hinweis „zu verbrauchen bis”, der beispielsweise bei rohem Fleisch, Fisch oder bei Eiern darüber informiert, dass ein späterer Verzehr gesundheitsgefährdend sein kann. Unter derlei Verschwendung leidet nicht nur die Wertschätzung für Lebensmittel, sondern auch das Klima. Denn weggeworfenes Essen verursacht einen unnötigen Verbrauch von Ackerflächen, Wasser, Energie und Ressourcen. Produktion, Verarbeitung und Transport von Lebensmitteln belasten zudem die Umwelt.
Kein Brot soll in der Tonne landen
Zu den am häufigsten entsorgten Lebensmitteln zählen in Deutschland Backwaren. Auch hier existieren bedenkliche Zahlen, wirft doch jede Bürgerin bzw. jeder Bürger zu Hause im Schnitt 7,7 kg Brot, Brötchen und Co. pro Jahr weg – was rund 150 g pro Woche entspricht. In den Backstuben ist man sich dieser Problematik bewusst; viele gehen aktiv dagegen vor. So auch das Familienunternehmen „Der Bäcker Feihl” aus dem oberpfälzischen Neumarkt, das mittlerweile in der vierten Generation von den beiden Brüdern Johannes und Andreas Feihl geführt wird. Letzterer berichtet, was mit Backwaren geschieht, die nicht über die Ladentheke gehen: „Das Thema Lebensmittelverschwendung nimmt im Unternehmen einen hohen Stellenwert ein, denn bei uns soll kein einziges Brot in der Tonne landen. Daher spenden wir überschüssige Produkte an die Tafeln, an Wärmestuben oder auch an Bauern aus der Region. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz lässt sich zudem ermitteln, wie viele Backwaren wir in den einzelnen Filialen pro Tag benötigen – die Frage, wann ein bestimmtes Produkt ausgehen kann oder darf, steht dabei im Mittelpunkt.” Bei der Beurteilung der Lebensmittelhaltbarkeit vermisst der Geschäftsführer und Produktionsleiter mitunter ein gewisses Fingerspitzengefühl: „Nicht jedes Brot muss nach zwei Tagen umgehend entsorgt werden.”
Der Wunsch nach einer Sensibilisierung für die Thematik führte im Familienunternehmen zu einer spannenden Idee. Im Zusammenspiel mit der jungen Kreativbrauerei Orca Brau aus Nürnberg wurde ein weiteres Puzzleteil gegen die Lebensmittelverschwendung gefunden – dieses kommt als vollmundiges und geschmacksstarkes Märzen daher. Ein Bier, das unter Zugabe von Brotrückläufern gebraut wird? „Brotbier ist tatsächlich gar nicht so ungewöhnlich, wie man denkt”, weiß Andreas Feihl. „In England etwa existiert ein Ale, das aus getoasteten Brotscheiben entsteht; auch aus dem skandinavischen und baltischen Raum sind entsprechende Brauweisen bekannt. Bäcker- und Brauerhandwerk liegen zudem gar nicht so weit auseinander, denn es dreht sich doch in beiden Fällen vieles um verschiedene Getreidesorten und um Hefe.”
„Kernig, brotig, karamellig, süffig”
Beim Brauprozess werden rund 30 % des Braumalzes durch Brot ersetzt – Brot, das in den insgesamt 35 Filialen des Bäckers Feihl am Ende eines Tages nicht verkauft wurde. Bei der Suche nach der entscheidenden Zutat fiehl die Wahl auf die hauseigene Marke Rebell 36, ein dunkelgebackenes Brot, basierend auf einer Mischung aus 82 % Dinkel, 15 % Roggen und 3 % Weizen. Es besticht durch seine lange und weiche Teigführung sowie eine knackige Kruste, verfeinert mit Sesam, Leinsaat und Salz. „Bei Orca Brau sind wir mit dieser Wahl direkt auf Begeisterung gestoßen”, erinnert sich Feihl. „Unser Rebell 36 hat sich als idealer Geschmacksgeber für das Bier herausgestellt.” Das Resultat – Der Rebell. Das Bier – zeichnet sich laut der Kreativbrauerei durch einen cremigen und vollmundigen Körper sowie eine intensive Malznote aus. Den Charakter des klassischen Märzens (Alkoholgehalt: 5,6 %) beschreiben die Experten mit „kernig, brotig, karamellig, leicht mineralisch und süffig”. Zur Erreichung des ehrenwerten Ziels, kein einziges Produkt in die Tonne geben zu müssen, hat die Traditionsbäckerei somit einen weiteren Weg gefunden. Gleichzeitig sendet sie ein wichtiges Signal sowohl an Hersteller als auch den Verbraucher: Bei der Vermeidung von Nahrungsabfällen und der Einsparung von Rohstoffen besteht dringender Handlungsbedarf! Manchmal braucht es eben kreative Ideen, um den bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu fördern.