Trockene Areale, Unreinheiten und Melasmen: Menschen mit dunkler Haut müssen häufig mehr Zeit und Sorgfalt für die tägliche Pflege aufbringen. Gleichzeitig existieren auf dem deutschen Markt jedoch kaum entsprechende Produkte für Haut und Haar. Auch Adelaide Wolters musste sich viele Jahre mit dieser Lücke in der Kosmetikindustrie abfinden – bis sie selbst aktiv wurde und ihr eigenes Unternehmen Unrefined Riches gründete. Heute plädiert sie für mehr Sensibilisierung in der Dermatologie.
Befragt nach der Angebotsvielfalt an Kosmetik- und Pflegeprodukten für ihre Bedürfnisse, wählt Adelaide Wolters klare Worte: „In der Drogerie findet sich mit viel Glück beim Make-up ein dunkler Hautton, doch nicht jeder schwarze Mensch verfügt über dieselbe Pigmentierung – manche sind heller, manche wiederum dunkler.” Und auch im Bereich der Hautpflege sieht die gebürtige Hamburgerin mit ghanaischen Wurzeln großen Nachholbedarf: „Natürlich kann man sich bei den vorhandenen Artikeln durchprobieren und eventuell eine einigermaßen gute Pflege finden. Explizit an dunkler Haut getestete Produkte existieren da aber nicht. In der Apotheke ist es noch schwieriger.”
In ihrer Kindheit litt Adelaide Wolters an einer Sonnenallergie sowie unter extrem trockener Haut. Auch hinsichtlich dieser Einschränkungen stieß sie auf wenig Unterstützung: „Jedes Jahr besuchte ich mit meinen Eltern Ghana, und jedes mal kam ich mit einer Sonnenallergie zurück, was sich in kleinen, juckenden Pickelchen äußerte. Nach anfänglicher Ratlosigkeit erkannte mein Hautarzt die Sonnenallergie zwar, tat sich allerdings schwer damit, sie mit meiner dunklen Haut zu vereinbaren – schließlich könne diese doch gar keine allergische Reaktion auf UV-Licht entwickeln.” Adelaide Wolters’ Eltern erhielten den Rat, für die Tochter, neben der verschriebenen Salbe, Sonnenschutz anzuwenden; selbst bräuchten sie jedoch keinen, schließlich läge bei ihnen keine Allergie vor. Auf diesen Irrglauben findet die heute 26-Jährige eine treffende Antwort: „Jeder Mensch benötigt Sonnenschutz, denn die Natur diskriminiert nicht.” Zwar verfüge der dunkle Hauttyp über mehr Melanin, doch gingen die UV-Strahlen überall rein. Ebenso verstärkte sich bei Adelaide Wolters in der Pubertät eine vererbte Form der Hyperpigmentierung, auch bekannt als Melasma. Dabei kommt es zu einer vermehrten Melanin-Anreicherung, was häufig verschiedene Gesichtsregionen dunkler erscheinen lässt und durch ungehinderte Sonneneinstrahlung oder hormonelle Veränderungen noch mehr verstärkt wird. Hier wurde ihr vom Dermatologen entgegnet: „Das ist bei ihrem Hauttyp nunmal so, da lässt sich nichts machen.”
Effektive Routine für die Haut gefunden
Gerade in dieser prägenden Teenagerzeit, die von Selbstfindung und -behauptung gekennzeichnet ist, eine mehr als entmutigende Aussage. Versuche, die Hautprobleme zu kaschieren, waren aufgrund der erwähnten fehlenden Kosmetikprodukte ebenfalls zum Scheitern verurteilt – Adelaide Wolters’ Selbstbewusstsein war im Keller. Doch eben das wollte sie so nicht hinnehmen: Im Alter von 15 Jahren wechselte sie in den „Angriffsmodus” und beschäftigte sich intensiv mit Pflegekosmetik und wirkungsvollen Ingredienzien. Dies führte nach vielen Rück-, aber eben auch Fortschritten zum erwünschten Erfolg: Rund vier Jahre später hatte Adelaide Wolters endlich eine effektive Routine für ihre Haut gefunden, um den Pigmentflecken und Unreinheiten entgegenzuwirken. „Ich habe damals sehr viel zu Inhaltsstoffen, die die Hautbarriere stärken, recherchiert – Sheabutter etwa, oder verschiedene Öle. Die Anwendung meiner ersten eigenen Produkte war verbunden mit vielen Trials and Errors, doch irgendwann stellte sich endlich eine Hautverbesserung ein.” Dieses Aha-Erlebnis blieb von Familie und Freunden nicht unbemerkt; das Interesse an der angereicherten Sheasahne war groß. Nachdem sie also aus diesem Kreise positives Feedback erhalten hatte, folgte für Adelaide Wolters der nächste logische Schritt: Sie wollte auch anderen Menschen bei entsprechenden Hautproblemen helfen. Dass die Gründung eines eigenen Unternehmens nicht von heute auf morgen geschieht, war ihr dabei durchaus bewusst. Doch gab es eben nur die Option, sich weiter über die Kosmetikindustrie zu beschweren, oder aber das Problem selbst anzugehen, um etwas zu verändern.
So einfach wie in manchen US-amerikanischen Tutorials, die im Internet zu finden sind und in denen Cremes, Lotionen und Co. in der heimischen Küche zum späteren Verkauf angerührt werden, gestalte sich der Start damals jedoch nicht. Eine der vielen Hürden bis zur eigenen Produktlinie war die europäische Kosmetikverordnung, wie Adelaide Wolters berichtet: „Die Inhaltsstoffe der Produkte mussten unter anderem zuerst in ihrer Stabilität getestet werden, was mit hohen Kosten verbunden war. Da sich das Gewähren eines Kredits aufgrund meines jungen Alter als schwierig erwies, habe ich mir zusätzlich zu meiner Vollzeitbeschäftigung noch vier Nebenjobs gesucht und wirklich jeden Tag daran gearbeitet, das Geld für den Start zusammenzubekommen.” Die Jungunternehmerin bewies zudem Einfallsreichtum und setzte von Beginn an auf Social Media: „So konnte ich Interessierte für verschiedene Testphasen begeistern und gleichzeitig alle Hauttypen und -farben mit einbeziehen.” Das, so betont Adelaide Wolters, sei ihr ohnehin wichtig – alle inkludieren, niemanden ausschließen. Sie wolle nicht in die Fußstapfen derer treten, die ihr zuvor bereits das Leben schwer gemacht haben.
Großer Bedarf auch bei der Haarpflege
Mit der Gründung ihres Unternehmens Unrefined Riches hat sich Adelaide Wolters also einen echten Traum erfüllt; im Februar 2019 kam es zum offiziellen Launch. Mittlerweile umfasst das Angebot neben der angereicherten Sheasahne „She(a) Raw” (gepaart mit kraftvollen Ölen wie Arganöl, Jojobaöl, Schwarzkümmelöl und Vitamin E) oder dem Sonnenschutz der US-Firma „Black Girl Sunscreen” viele weitere Produkte – afrikanische schwarze Seife etwa, bestehend aus Meersalz und Pflanzenasche, oder die „Highkey Reset-Maske”, die einen fühlbaren Regenerierungseffekt bei müder oder gestresster Haut bewirkt. Wichtig sei der Gründerin zudem der stetige Austausch mit der Kunden-Community: „Da fragen wir stets explizit nach – »Was fehlt euch?« – um dementsprechend neue Produkte zu entwickeln. So hören wir immer wieder, dass es einen großen Bedarf bei der Haarpflege gibt. Zwar sind in der Drogerie Locken-Shampoos und -Conditioner erhältlich; diese bieten aber vielen unserer Kundinnen und Kunden nicht die Pflege, die es benötigt.” Zumal der afrikanische Haartyp mit einer häufig schwächeren Sebumproduktion einhergeht, weshalb auch die Kopfhaut eine individuelle Behandlung braucht. Bei Unrefined Riches befinden sich daher passende Lösungen bereits in der Planungsphase, schließlich sei es längst an der Zeit, dass sich die Diversität unserer Gesellschaft auch in der Verfügbarkeit von Haarpflegeprodukten widerspiegelt.
Mit dieser Erkenntnis schließt sich für Adelaide Wolters ein Kreis – der Wunsch nach mehr Sensibilisierung für die Bedürfnisse ihres Hauttyps. Und eben diese Sensibilisierung könne nicht früh genug beginnen: „Das Thema steht im Medizinstudium nicht einmal auf dem Lehrplan, sodass auch keinerlei Inhalte zur Frage, wie sich verschiedene Erkrankungen oder Zustände auf dunkler Haut manifestieren, vermittelt werden. Ich denke da etwa an eine Rosazea, sieht diese doch auf heller Haut ganz anders aus, als auf dunkler.” Um falsche Diagnosen zu vermeiden, sei eine individuelle Fortbildung der Dermatologinnen und Dermatologen hierzulande unerlässlich. „Vielleicht muss manch einer in der eigenen Branche auch lauter werden, damit sich dieses Thema letztlich durchsetzt”, so Adelaide Wolters. Wer, wenn nicht sie, könnte besser beurteilen, wie lohnenswert solch eine Eigeninitiative ist?