In der Bundesrepublik erschien die Pille im Jahr 1961 unter dem Namen „Anovlar“ – gedacht als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden erhielten ausschließlich verheiratete Frauen mit Kindern das Medikament. Kleingedruckt, fast versteckt am Ende des Beipackzettels befand sich der Hinweis, dass „Anovlar“ auch vor Empfängnis schütze. Um die Bedeutung dieser Wirkung richtig einschätzen zu können, ist ein Blick in die einstige Zeit notwendig. So standen nicht nur Ärzte dem Mittel kritisch gegenüber; auch die Kirche lehnte sich (nicht nur) damals gegen die Entwicklung auf. Mehr noch: Am 25. Juli 1968 verurteilte Papst Paul VI. in der Enzyklika Humanae Vitae die Geburtenkontrolle durch künstliche Verhütungsmittel. Diese würden, so hieß es darin, „den außerehelichen Geschlechtsverkehr befördern“ und zur „allgemeinen Aufweichung der sittlichen Zucht" beitragen. Doch fast zeitgleich rumorte es in der Gesellschaft und der westliche 68er-Aufbruch begünstigte in den Köpfen vieler junger Menschen ein neues Denken – „make love not war“, so der vielsagende Zeitgeist. Selbstverwirklichung, Individualität und häufiger Partnerwechsel: Trotz dieses Ablegens alter Konventionen sehen Medizinhistoriker die Pille heute eher als Katalysator, nicht als Ursache der damaligen Entwicklung an. Ohnehin sorgte die neu erlangte (sexuelle) Freiheit der Frau schon bald für neue Zwänge – plötzlich stand die Erwartung einer permanenten sexuellen Verfügbarkeit im Raum.
Negative Auswirkungen auf Körper und Seele
Im Laufe der Jahrzehnte stieg die Antibabypille in Deutschland zur meist genutzten und sichersten Verhütungsmethode auf. Doch nicht jede Frau vertrug (und verträgt) das hormonelle Kontrazeptivum gleichermaßen gut. Die künstliche Veränderung des natürlichen Zyklus kann freilich Nebenwirkungen mit sich bringen; besonders vor der Jahrtausendwende erhöhte das enthaltene Östrogen ein Risiko für Thrombosen und Lungenembolien. Auch waren Begleiterscheinungen wie Kopfschmerz, Wassereinlagerungen oder Zwischenblutungen angezeigt. Vor einer jeden Verordnung findet daher eine Einzelberatung statt, denn noch heute können die Präparate, die von jungen Frauen oft auch als Aknemittel eingenommen werden, negative Auswirkungen auf Körper und Seele haben. Nicht nur deshalb ist in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren ein Trend zur Pillen-Abkehr zu erkennen: Immer mehr junge Frauen möchten sich vom Eingriff in ihre natürlichen hormonellen Abläufe lösen. Diese Tatsache untermauert auch eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), die sie anlässlich des Weltverhütungstags am 26. September 2019 veröffentlichte. Die repräsentative Untersuchung zum Verhütungsverhalten Erwachsener 2018 zeigt zwar, dass Pille und Kondom nach wie vor die wichtigsten Verhütungsmittel in Deutschland sind: 47 Prozent der erwachsenen, sexuell aktiven Frauen und Männer benennen die Pille als Verhütungsmethode, 46 Prozent nutzen das Kondom. Gleichzeitig ist aber mit Blick auf eine Vorgängerstudie aus dem Jahr 2011 ein deutlicher Anstieg um 9 Prozent bei der Kondomnutzung zu verzeichnen. Im gleichen Zeitraum ging die Verhütung mit einem hormonellen Kontrazeptivum hingegen um 6 Prozentpunkte zurück. Befindet sich das einst wegweisende „Wundermittel“ also allmählich auf dem absteigenden Ast? Vor allem die jüngere Generation möchte sich jedenfalls von den bekannten Nebenwirkungen befreien, den eigenen Körper weniger belasten und das Thema „Verhütung“ verstärkt auch zur „Männerangelegenheit“ machen. Sechs Jahrzehnte nach Einführung der Antibabypille ein wichtiges Update in Sachen Freiheit und Selbstbestimmung.
Wie wird weltweit am häufigsten verhütet?
langfristig
24 % Weibliche Sterilisation
2 % Männliche Sterilisation
17 % Spirale
2 % Implantat
kurzfristig
8 % Injektion
16 % Antibabypille
21 % Kondom
3 % Kalendermethode
herkömmlich
5 % Coitus Interruptus
2 % Andere