In der Rechtsprechung zu wahlärztlichen Vertretungsvereinbarungen gibt es erfreuliche Tendenzen, über die wir Sie gern informieren möchten.
Allgemeiner Konsens: BGH-Rechtsprechung
Grundsätzlich gilt: Im Fall der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes kann der ständige ärztliche Vertreter die Behandlung übernehmen, wenn darauf in der Wahlarztvereinbarung hingewiesen wurde. In den Fällen der vorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes kann eine Vereinbarung über die Behandlung durch einen namentlich benannten Vertreter unter Aufrechterhaltung der wahlärztlichen Liquidation geschlossen werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat für eine solche Vertretungsvereinbarung einige Voraussetzungen aufgestellt.
Laut BGH sind dem Patienten grundsätzlich diese drei Optionen anzubieten:
- Verschiebung der Operation bis zur Rückkehr des Wahlarztes, sofern die Verschiebung medizinisch vertretbar ist
- Durchführung der Operation als allgemeine Krankenhausleistung durch den jeweils diensthabenden Arzt
- Durchführung der Operation durch den namentlich zu nennenden Vertreter des Wahlarztes zu den Konditionen der bereits unterzeichneten Wahlarztvereinbarung
Bei dem in der Vertretungsvereinbarung genannten Vertreter muss es sich nicht um den ständigen ärztlichen Vertreter handeln. Über diese grundsätzlichen Voraussetzungen einer Vertretungsvereinbarung wegen Verhinderung des Wahlarztes besteht weitgehend Einigkeit.
Zusätzliche Anforderungen?
Darüber hinaus sind einzelne Versicherer dazu übergegangen, weitere Voraussetzungen aufzustellen, für die es nach unserer Ansicht keine rechtliche Grundlage gibt. Zum Teil wird von Versicherern reklamiert, dass die Dauer der Verhinderung nicht angegeben worden sei und die Vertretungsvereinbarung deshalb unwirksam sei. Außerdem wird vereinzelt von Versicherern verlangt, dass eine Vertretungsvereinbarung die Angabe eines Grundes für die vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes enthalten müsse. In beiden Fällen sind die reklamierenden Versicherer der Ansicht, dass diese Angaben erforderlich seien.
In letzter Zeit wurden einige Gerichtsprozesse geführt, in denen die behaupteten zusätzlichen Anforderungen auf dem Prüfstein standen. Der PVS gelang es, über ihre Partnerkanzleien für ihre Kunden positive amtsgerichtliche Urteile mit dem Inhalt zu erwirken, dass eine Vertretungsvereinbarung wegen Verhinderung weder die Angabe eines Grundes noch eines Verhinderungszeitraumes voraussetze. Dazu gehören das Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 28.09.2020 (35 C 83/20), die Entscheidung des Amtsgerichts Neuss vom 23.08.2021 (75 C 840/21) sowie das Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 07.06.2022 (27 C 1159/21). Das Amtsgericht Neuss argumentiert, dass es für die Entscheidung des Patienten nicht von Bedeutung sei, warum der Wahlarzt verhindert sei. Nach dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr setze eine Vertretungsvereinbarung nicht die Angabe des Tages der voraussichtlichen Rückkehr des Wahlarztes voraus. Dem Patienten sei es zumutbar, das Naheliegendste zu tun, wenn ihm an diesem Punkt gelegen sei: Nachfragen.
Mittlerweile liegen auch zwei Urteile von Oberlandesgerichten vor, nach denen die zusätzlichen Anforderungen ebenfalls nicht erforderlich sind. In der Entscheidung vom OLG Karlsruhe (Urteil vom 30.03.2023, Az.: 13 U 632/20) wird hervorgehoben, dass es sich bei den beiden Vertretungsvereinbarungen, die Gegenstand des Verfahrens waren, nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Krankenhauses gehandelt habe, da dem Patienten die drei eingangs angesprochenen Optionen zur Auswahl gestellt worden seien. Diese Einschätzung des Gerichts ist zu begrüßen, da Allgemeine Geschäftsbedingungen einem strengeren Bewertungsmaßstab unterliegen als individualvertragliche Vertretungsvereinbarungen. Das OLG Zweibrücken führte in seinem Beschluss vom 03.07.2023 (Az.: 5 U 34/23) aus, dass für die Entscheidung des Patienten, eine Vertretervereinbarung zu treffen, allein der Umstand der Verhinderung des Wahlarztes maßgeblich sei. Daher sei für eine wirksame Vertretungsvereinbarung weder die Angabe des konkreten Grundes noch der Dauer der Verhinderung erforderlich.
Einschränkungen bei Notfallbehandlungen?
Uns erreichten in letzter Zeit Reklamationen, wonach in einem Notfall der Abschluss einer Vertretungsvereinbarung ausgeschlossen sei, weil dann die Option der Verschiebung entfiele, der BGH aber diese Option für erforderlich halte. Dem ist zu widersprechen, da der BGH dies dahingehend einschränkt, dass die Verschiebung nur angeboten werden müsse, wenn diese medizinisch vertretbar sei. Den Ausführungen des BGH kann nicht entnommen werden, dass der Wegfall der Option in einem Fall, der medizinisch keinen Aufschub duldet, dazu führt, dass eine Vertretungsvereinbarung nicht geschlossen werden darf.
Wir halten daher den Abschluss einer Wahlarztvereinbarung sowie einer Vertretungsvereinbarung wegen Verhinderung auch für grundsätzlich zulässig, wenn der Patient als Notfall in die Klinik eingeliefert wird, sofern er aufgrund seines Zustandes geschäftsfähig ist.
Fazit
In aktuellen Gerichtsentscheidungen wird Anforderungen an eine Vertretungsvereinbarung wegen Verhinderung, die über die explizit vom BGH genannten Voraussetzungen hinausgehen, eine Absage erteilt. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Zwar fehlt bislang eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die konkret die Frage der Nennung von Grund und Dauer in einer Vertretungsvereinbarung in den Blick nimmt, jedoch ist es erfreulich, dass sich mittlerweile auch Oberlandesgerichte diesbezüglich ablehnend geäußert haben.