Eine Klinik verlangte von einer Patientin für die Zusendung einer Kopie der Behandlungsunterlagen auf einem Datenträger den Betrag in Höhe von 5,90 € zuzüglich Versandkosten. Das Insistieren auf einer Kostenübernahmeerklärung kam die Klinik teuer zu stehen, denn der Verlust des hierauf folgenden Prozesses vor dem Landgericht Dresden kostete sie insgesamt schätzungsweise um die 3.000 €, wenn man bedenkt, dass die unterliegende Partei für die Gerichtskosten sowie die Kosten des eigenen und gegnerischen Rechtsanwalts aufzukommen hat.
Wie kam es dazu?
Die Patientin vermutete einen Behandlungsfehler und forderte die Klinik durch ihre Anwältin zu einer unentgeltlichen Auskunft über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten auf. Die Klinik wollte dem Auskunftsanspruch nur entsprechen, wenn die Patientin hierfür 5,90 € zuzüglich Versandkosten gezahlt hätte. Die Patientin sah dies nicht ein und verklagte die Klinik. Sie beantragte, die Klinik zu verurteilen, ihr eine unentgeltliche Auskunft über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation über die Klägerin im PDF-Format zu erteilen. Das Landgericht (LG) Dresden gab der Klage der Patientin in dem unter dem Aktenzeichen 6 O 76/20 geführten Rechtsstreit in seinem Urteil vom 29.05.2020 statt.
Rechtliche Fragestellung
Für die Lösung des Falls stellt sich die Frage, welche Rechtsgrundlage anwendbar ist. In Betracht kommen zwei Vorschriften: § 630g BGB und Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Handelt es sich um das Recht auf eine Abschrift der Patientenakte nach § 630g BGB, so dürfte die Klinik dem Wortlaut der Norm zufolge von der Patientin die Kosten hierfür erstattet verlangen. Anders sieht es aus, wenn es um das Recht auf Auskunft über die gespeicherten personenbezogenen Daten aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO geht. Eine solche Auskunft beinhaltet eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Die Erstkopie ist nach der DSGVO kostenfrei für die Patientin.
Leider ist bisher nicht geklärt, ob bzw. inwiefern sich die Ansprüche aus den beiden Normen inhaltlich voneinander unterscheiden. Wenn man die Rechtsansicht vertritt, dass die Ansprüche sich inhaltlich überschneiden, stellt sich die Frage, welche Norm vorrangig sein soll, d. h. ob es bei der Kostenfreiheit nach DSGVO bleibt oder ob die Vorschrift aus dem BGB mit Kostentragungspflicht für Patienten vorrangig heranzuziehen ist.
Betrachtet man die Zielrichtung der beiden Anspruchsgrundlagen, so spricht einiges für § 630g BGB, wenn es dem Patienten um eine Kopie der gesamten Behandlungsdokumentation zum Zweck der Prüfung auf Behandlungsfehler geht. Art. 15 Abs. 3 DSGVO läge dagegen näher, wenn der Patient erfahren möchte, welche personenbezogenen Daten von der Klinik verarbeitet werden.
Bewertung durch das LG Dresden
Die Klinik habe die Datenübermittlung nicht von der Übernahme der geforderten Kosten abhängig machen dürfen, urteilte die Kammer. Es sei nicht entscheidend, zu welchem Zweck der Auskunftsanspruch geltend gemacht werde. Inwiefern sich die beiden Anspruchsgrundlagen nicht deckten, müsse in diesem Fall nicht erörtert werden, da es jedenfalls unzureichend gewesen sei, gar keine Auskunft zu erteilen. Für den Streitwert des Verfahrens, an dessen Höhe sich die Gerichts- und Anwaltskosten bemessen, kam es nicht auf den Stein des Anstoßes, die im Bagatellbereich liegende geforderte Kostenerstattung, an. Das LG Dresden bewertete das berechtigte Interesse der Patientin an der Kenntnis der verarbeiteten Daten mit einem Streitwert in Höhe von 6.000 €.
Anmerkungen zum Urteil
Ist die Streitwertermittlung noch beanstandungsfrei, macht es sich das Gericht unserer Ansicht nach in der weiteren Urteilsbegründung zu einfach. Die Fragen nach den Anspruchsinhalten und deren Abgrenzung zueinander durften nicht offen bleiben. Zunächst hätten die Richter die Anspruchsinhalte definieren und herausarbeiten müssen, was genau die Klägerin begehrt. Im Übrigen kann es einen Anspruch auf eine kostenfreie Kopie der gesamten Behandlungsdokumentation nach der DSGVO überhaupt nur geben, wenn sich darin auf jeder einzelnen Seite personenbezogene Daten finden. Bei der Beurteilung sollte auch in den Blick genommen werden, welche Zielrichtung der Anspruch der Klägerin hat. Erst dann lässt sich nach unserer Auffassung darüber befinden, unter welche Norm das klägerische Ansinnen zu fassen ist. In dem Fall ging es darum, Kenntnisse für einen vermuteten Haftungsfall zu gewinnen, was für die Anwendung von § 630g BGB spricht. Der Norm aus der DSGVO liegt dagegen das Interesse des Anspruchstellers an den über ihn gespeicherten Daten zugrunde. Diese Punkte hat das LG Dresden nicht für erörterungsbedürftig erachtet, was dem Urteil Kritik einbrachte.
Ausblick
Ob das Urteil Bestand haben wird und ob es bestätigende oder abweichende Entscheidungen geben wird, bleibt abzuwarten. Vermutlich wird hier erst eine höchstrichterliche Rechtsprechung für klare Verhältnisse sorgen. Nichtsdestotrotz werden sich Patienten und deren Anwälte auf das Urteil berufen, wenn es ihnen um die Begründung eines kostenfreien Anspruchs auf Herausgabe einer elektronischen oder papierenen Kopie der Behandlungsakte geht.
Handlungsempfehlung
Wir halten es weiterhin für vertretbar, für den Fall, dass ein Patient eine Kopie der vollständigen Behandlungsakte und nicht Kopien über die gespeicherten personenbezogenen Daten fordert, vom Patienten hierfür die Kosten erstattet zu verlangen. Da diese Ansicht aber mit Risiken verbunden ist, empfehlen wir, die Kopien in keinem Fall bis zur Bezahlung der Kosten bzw. Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung zurückzuhalten. Dies würde zwar Druck auf den Patienten ausüben, den geforderten Betrag zu bezahlen, jedoch wäre das wirtschaftliche Prozessrisiko unverhältnismäßig hoch, denn man würde sich dann nicht um diesen Betrag vor Gericht streiten, sondern um die Frage nach (kostenfreien) Kopien der Behandlungsdokumentation, was regelmäßig hohe Streitwerte wie die im Fall angesetzten 6.000 € auslöst.
Begehrt der Patient eine Kopie der Behandlungsakte, sollte ihm mitgeteilt werden, dass er die entstehenden Kosten erstatten müsse. Sollte der Patient dies nicht anerkennen und auf kostenfreie Kopien beharren, raten wir dazu, ihm diese zur Verfügung zu stellen, aber zugleich darauf hinzuweisen, dass die Forderung nach Kostenerstattung aufrechterhalten werde. Mit der Herausgabe kann das in Dresden realisierte Szenario einer „Streitwertfalle“ mit dem Risiko von erheblichen Kosten verhindert werden. Im Mahnverfahren und vor Gericht würde es dann nur noch um den Erstattungsanspruch gehen und nicht mehr um das viel höher anzusiedelnde Auskunftsinteresse des Patienten.