Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe bezieht in seinem Beschluss vom 18.01.2021 (Az. 13 U 389/19) zu Fragen rund um die wahlärztliche Liquidation Stellung. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen mehrere ständige ärztliche Vertreter eines Wahlarztes zulässig sind. Zwar erfindet der Senat das Rad nicht neu, jedoch greift er die höchstrichterliche Rechtsprechung auf und beleuchtet diese durch Anwendung auf einen konkreten Fall, sodass er für weitere Rechtssicherheit sorgt. Es mag vordergründig überraschen, dass die OLG-Richter darauf hinweisen, dass dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Allerdings dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass das Gericht davon ausgeht, sich völlig im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu befinden.
Worum ging es in dem Verfahren?
Die Klägerin, Betreiberin eines Krankenhauses, stritt sich mit dem beklagten Patienten um wahlärztliche Honoraransprüche. Der Patient war der Auffassung, dass die Ansprüche aus verschiedenen Gründen nicht bestanden hätten. Das Gericht gab der Klinik Recht. Der Senat positionierte sich zu verschiedenen Themen wahlärztlicher Liquidation, wobei der Beschluss aus PVS-Sicht Zustimmung verdient.
Betreiberin des Krankenhauses als Klägerin
Dass die Krankenhausbetreiberin als Klägerin auftrat, war erwartungsgemäß kein Grund zur Beanstandung. Im Gegenteil ist es rechtlich folgerichtig, wenn man bedenkt, dass es sich um Leistungen von Wahlärzten handelt, die kein eigenes Liquidationsrecht besitzen. Das Gericht konstatiert: Bei den wahlärztlichen Leistungen handele es sich um Leistungen des Krankenhauses, wenn ein Wahlarzt sein Liquidationsrecht an das Krankenhaus abgetreten habe (Beteiligungsmodell) oder die Ausübung des Liquidationsrechts im Rahmen des Arztvertrages zur unmittelbaren Dienstaufgabe erklärt werde. Dabei geht der Senat zu Recht davon aus, dass es für die Entstehung der Ansprüche des Krankenhauses gegenüber dem Patienten keine Rolle spielt, ob bzw. wie genau die nicht abrechnungsberechtigten Ärzte an dem Erlös partizipieren, denn dies ist schließlich eine rein interne dienstvertragliche Angelegenheit.
Aufgliederung in Subbereiche: Mehrere ständige ärztliche Vertreter?
In der streitgegenständlichen Wahlarztvereinbarung findet sich der folgende Passus: „Eine Abteilung kann aufgrund von Arbeitsteilung oder funktionaler Schwerpunktbildung mehrere ständige ärztliche Vertreter des besonders benannten Wahlarztes ausweisen.“ Sodann folgt eine Aufzählung von drei Kliniken, wobei auch einzelne Abteilungen der jeweiligen Klinik aufgeführt sind. Für jede Klinik bzw. Abteilung ist ein Wahlarzt benannt. Für jeden dieser Wahlärzte ist wiederum mindestens ein ständiger Vertreter benannt, bei einigen Wahlärzten auch mehrere ständige Vertreter. Jeder ständige Vertreter ist exklusiv für einen bestimmten Subbereich oder Standort benannt, z. B. für „Station 4“ oder „Standort B“.
Der Senat skizziert zunächst das Charakteristische der Wahlleistung „Arzt“. Dieses liege darin, dass der Patient sich wahlärztliche Leistungen im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz von bestimmten leitenden oder besonders qualifizierten Ärzten „hinzukaufe“ und zwar unabhängig von deren medizinischer Notwendigkeit im Einzelfall. Die GOÄ setze nicht voraus, dass jeder Wahlarzt nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter haben dürfe. Es sei zulässig, dass die Klinik für verschiedene Arbeitsbereiche eines Wahlarztes jeweils einen ständigen Vertreter bestimme. Solche Ausdifferenzierungen seien insbesondere in hochspezialisierten Krankenhäusern üblich und entsprächen gerade dem „wohlverstandenen Interesse des Patienten“, für den eine möglichst vollständige Abdeckung verschiedener Fachbereiche - z. B. wie im Fall im Bereich der Kardiologie - vorteilhaft sei.
Oberstes Gebot aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, woran sich eine Wahlarztvereinbarung regelmäßig messen lassen müsse, sei die Transparenz für die Patienten. Interessant sind die Ausführungen des Gerichts dazu, wie das Kriterium der Transparenz auf diese Sachlage anzuwenden ist. Demnach komme es nicht darauf an, dass der Laie die einzelnen Spezialabteilungen trennscharf voneinander abgrenzen könne, sondern ob die interne Struktur der einzelnen Abteilungen in der Wahlarztvereinbarung / Wahlarztliste offengelegt werde. Dies bedeutet im Umkehrschluss: Wenn die Spezialabteilungen sich funktionell bzw. in Zuständigkeitsbereichen derart voneinander abgrenzen lassen, dass Überschneidungen ausgeschlossen sind und dies in der Wahlarztvereinbarung bzw. der Wahlarztliste auch so dargestellt wird, kann der Patient sich nicht im Nachhinein darauf berufen, anfänglich nicht gewusst zu haben, dass er sich z. B. in Spezialabteilung C zur Behandlung wiederfinde, obwohl genau diese für die Behandlung seiner Erkrankung zuständig ist. Entscheidend ist nach Ansicht des Senats nämlich nicht, dass ein Patient ohne medizinische Vorbildung die Abgrenzung ex ante exakt vornehmen könne.
In diesem Kontext weist das Gericht zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich auch der genaue Verlauf einer Behandlung anfänglich nicht vorhersehbar sei, es aber dem Interesse des Wahlarztpatienten entspreche, in den Vorzug einer Behandlung durch benannte Spezialisten zu kommen. Daraus folgt, dass auch eine anfangs unvorhergesehene Behandlung wahlärztlich liquidiert werden kann, wenn sich der betreffende Wahlarzt aus der laut Wahlarztliste zuständigen Abteilung mit dem Patienten befasst hat.
Zu beachten ist, dass der ständige ärztliche Vertreter immer nur dann unter Aufrechterhaltung des Liquidationsrechts ohne weiteres tätig werden darf, wenn der Wahlarzt unvorhersehbar verhindert ist und eine entsprechend Regelung hierzu im Wahlarztvertrag vorhanden ist. In Fällen der vorhersehbaren Verhinderung bedarf es einer individualvertraglichen Vertretungsvereinbarung.
Besondere fachliche Anforderungen an Wahlärzte / ständige Vertreter?
Der beklagte Patient zweifelte die Expertise der benannten Ärzte (Wahlärzte und ständige ärztliche Vertreter) an. Abgesehen davon, dass der Beklagte hierzu offensichtlich konkrete Darlegungen vermissen ließ, positionierte sich das Gericht auch zu dieser Frage in überzeugender Weise. Es komme nicht darauf an, ob die entsprechenden Ärzte administrativ eine Leitungsfunktion ausübten. Allein maßgeblich sei die fachliche Expertise auf dem jeweiligen Fachgebiet. Dieser Standpunkt deckt sich mit der von der PVS vertretenen Rechtsauffassung, wonach eine Leitungsfunktion (z. B. arbeitsrechtliche Direktionsbefugnis) für den Patienten völlig irrelevant ist, denn mit der wahlärztlichen Leistung will dieser sich die Zuwendung durch einen Spezialisten einer bestimmten ärztlichen Disziplin sichern. Ob der Arzt ggf. mit arbeitsrechtlich weitgehenden Befugnissen ausgestattet ist, kann für die Entscheidungsfindung des Patienten hinsichtlich einer wahlärztlichen Behandlung keine Rolle spielen. Dies wäre an dieser Stelle das, was Juristen als sachfremdes Kriterium bezeichnen.
Im Übrigen hilft hier bereits ein Blick auf die obige Definition der wahlärztlichen Leistungen, denn demnach handelt es sich um bestimmte leitende oder besonders qualifizierte Ärzte. Dieses ist bewusst nicht mit einem „und“ verbunden, sodass auch besonders qualifizierte Ärzte (ohne Leitungsfunktion) Wahlärzte sein dürfen.
Fazit
Das OLG Karlsruhe bewegt sich im Fahrwasser der BGH-Rechtsprechung, entfaltet diese näher und trägt damit zu einer Verfestigung der von der PVS bereits zuvor vertretenen Rechtsansichten bei. Mehrere ständige ärztliche Vertreter je Wahlarzt hält der Senat für zulässig, wenn in der Wahlarztvereinbarung bzw. der darin in Bezug genommenen Wahlarztliste die Zuordnung jeweils nur eines ständigen ärztlichen Vertreters zu einem Funktions- bzw. Zuständigkeitsbereich erfolgt. Nicht erforderlich ist, dass der Patient die Subsumtionsleistung, welches Leiden in exakt welcher Spezialabteilung versorgt wird, schon anfänglich exakt vornehmen kann. Die Zuordnung von Wahlärzten und deren ständigen ärztlichen Vertretern zu den Abteilungen muss aber in sich nachvollziehbar sein und auch faktisch so „gelebt“ werden. Der gelegentlich in Reklamationen von Versicherern zu lesenden Behauptung, der Wahlarzt bzw. gar der ständige ärztlicher Vertreter müsse eine Leitungsfunktion innehaben, erteilt der Senat erfreulicherweise eine Absage.
Sollten Sie Fragen zu diesem Themenkomplex haben, stehen wir Ihnen als Rechtsabteilung der PVS hierzu gern zur Verfügung.