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Stehendes, weißes Paragraphenzeichen vor grauer Betonwand

Die wirtschaftliche Informationspflicht

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Portratitfoto des Artikel-Autors Tobias Kraft
Von TOBIAS KRAFT (Rechtsanwalt, Rechtsabteilung PVS holding)
10 Min.Lesezeit

Wann muss ein Arzt seine Patienten wirtschaftlich aufklären? Was ist hierbei zu beachten? Welche Folgen hat eine unterlassene wirtschaftliche Aufklärung? Diesen Fragen wollen wir unter Einbeziehung eines Beispiels aus der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung nachgehen.

Die wirtschaftliche Informationspflicht des Behandelnden ist seit dem sogenannten Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 in § 630c Abs. 3 BGB normiert. Danach ist der Arzt verpflichtet, den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform zu informieren, wenn er weiß oder hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Wirtschaftliche Information ist der Begriff, den der Gesetzeswortlaut nahelegt, jedoch kann synonym hierzu auch von einer wirtschaftlichen Aufklärung gesprochen werden.

Wissensvorsprung des Behandelnden

Die wirtschaftliche Informationspflicht ist kein Selbstzweck, sondern bezieht sich auf die Fälle, in denen der Arzt einen Wissensvorsprung gegenüber dem Patienten hat und der Patient daher ähnlich einem Verbraucher schützenswert ist. Der Arzt muss daher selbstverständlich nicht vor jeder Behandlung recherchieren, ob die Kostenübernahme durch Dritte zweifelhaft ist, denn er ist nicht Sachwalter der finanziellen Interessen des Patienten. Der Behandelnde muss nur wirtschaftlich informieren, wenn er Kenntnis darüber hat, dass eine vollständige oder teilweise Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte nicht gesichert ist oder es ihm aufgrund hinreichender Anhaltspunkte hätte bewusst sein müssen. Mit Dritten sind in erster Linie Krankenversicherer und Beihilfestellen gemeint.

Differenzierung zwischen gesetzlich und privat krankenversicherten Patienten

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Arzt gegenüber dem Patienten ein überlegenes Wissen hinsichtlich des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung hat. Ein Vertragsarzt kennt regelmäßig die für die Erstattung relevanten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, da diese für die Leistungserbringer gemäß § 91 Abs. 6 SGB V verbindlich sind. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass er sie nicht kenne, denn es reicht aus, dass es ihm aufgrund seines Status als kassenärztlich zugelassener Arzt bekannt sein müsste. Sofern es um Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs geht, muss der Behandelnde den Patienten daher wirtschaftlich informieren. Dies gilt insbesondere für Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL).

Die Situation bei privat krankenversicherten Patienten stellt sich regelmäßig anders dar. Da die privaten Krankenversicherungen nicht nur untereinander, sondern auch durch zahlreiche Tarife unter dem Dach einer Versicherung in ihrem jeweiligen Leistungsportfolio differieren, ist dem Arzt nicht zuzumuten, sich – bzw. erst recht nicht den Patienten – hierüber zu informieren. Der Arzt muss nicht den Versicherungsvertrag des Patienten überprüfen. Dies obliegt grundsätzlich dem in eigenen finanziellen Angelegenheiten mündigen Patienten, der sich bewusst für den Abschluss eines bestimmten Tarifs bei einer bestimmten Versicherung entschieden hat und sich als Versicherungsnehmer leicht nach dem für ihn geltenden Leistungsspektrum erkundigen kann. Dies dürfte auch für die Frage der Kostenübernahme durch die Beihilfe gelten.

Dieser Grundsatz wird allerdings durchbrochen, wenn der Behandelnde auch gegenüber dem privat krankenversicherten Patienten einen Informationsvorsprung hat. Wenn der Arzt Kenntnis davon oder Anhaltspunkte dafür hat, dass der Patient die Behandlungskosten ganz oder teilweise selbst tragen muss, ist eine wirtschaftliche Information erforderlich. Dies wird z. B. der Fall sein, wenn es in der Vergangenheit wiederholt Probleme mit der Erstattung gab und der ­Behandelnde daher von regelmäßigen Reklamationen der Versicherer weiß. Hierzu können Streitfragen über die Auslegung von GOÄ-Ziffern oder Zweifel bei der Begründung einer Analogabrechnung gehören.

Eine weitere Ausnahme hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 28.01.2020 (VI ZR 92/19) aufgezeigt. In dem Fall ging es um die Abrechnung einer neu entwickelten Methode bei einer Krampfadersymptomatik gegenüber einer privat krankenversicherten Patientin.  Dem Senat zufolge habe der Arzt ein „den Korridor des medizinischen Standards verlassendes Behandlungskonzept angewandt.“ Es handele sich um eine nicht überwiegend schulmedizinisch anerkannte Methode, die sich aufgrund fehlender praktischer Langzeiterfahrungen nicht als genauso erfolgversprechend bewährt habe. Wenn ein Arzt nach einer neuen, noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode vorgehe, müsse er die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private Krankenversicherer die dafür anfallenden Kosten nicht in vollem Umfang erstatte. Daher hält der BGH den Arzt bei solchen Neulandmethoden für informationspflichtig.

Worüber muss der Behandelnde informieren?

Der Behandelnde muss über die voraussichtlichen Kosten und über die fragliche Übernahme durch den Versicherer informieren. In dem Fall, der dem BGH-Urteil zugrunde lag, ließ der Arzt seine Patientin unter anderem Folgendes unterschreiben: „Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die PKV unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen wird...“ Dabei handelt es sich allenfalls um einen Ansatz, gewissermaßen um den auf halber Strecke stehen gebliebenen Versuch einer wirtschaftlichen Information. Das Wesentliche, die voraussichtlichen Kosten, bleibt ausgespart. Diesen Ansatz des Arztes hielt das Gericht nicht nur für unzureichend, sondern es ­entwickelte hieraus sogar ein für den Arzt nachteiliges Argument. So zeige die Formulierung in dem Schriftstück, dass der Arzt eine Reklamation durch den Versicherer tatsächlich ins Kalkül gezogen habe. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, richtig und umfassend wirtschaftlich aufzuklären.

In welcher Form muss informiert werden?

Die Information muss in Textform erfolgen. Ein Text ist eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Festplatte, USB-Stick, Speicherkarte, Computerfax, etc.) unveränderbar abgegeben wird. Im Unterschied zur Schriftform ist bei der Textform keine Unterschrift des Patienten erforderlich. Allerdings bleiben strengere Formvorschriften daneben bestehen. Insbesondere gelten bei gesetzlich krankenversicherten IGeL-Patienten weitergehende Anforderungen: Nach § 18 Abs. 8 Nr. 3 des Bundesmantelvertrags (BMV) – Ärzte ist unter anderem die ­eigenhändige Unterschrift des Patienten (Schriftform) unter der Vereinbarung zwischen ihm und dem Arzt eine Abrechnungsvoraussetzung.

Zeitpunkt der Information

Die wirtschaftliche Aufklärung muss zwingend vor der Behandlung erfolgen. Eine Nachholung ist nicht möglich.

Beweislast

Wenn feststeht, dass der Patient nicht oder nicht ausreichend wirtschaftlich informiert wurde und der Schaden des Patienten in den nicht erstattungsfähigen Kosten besteht, stellt sich noch die Frage, ob die Informationspflichtverletzung für den Schaden ursächlich war. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn der Patient sich so oder so für die Behandlung entschieden hätte. Der BGH hebt hervor, dass der Patient beweisen müsse, dass er sich bei ordnungsgemäßer Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die Behandlung  entschieden hätte. Das ist konsequent, denn es entspricht den allgemeinen Beweislastgrundsätzen, wonach der Anspruchsteller die für ihn günstigen Tatsachen darlegen muss. Schließlich ist der Patient in dieser Konstellation ­Anspruchsteller, denn für ihn kommt nur ein (eigener) Schadensersatzanspruch in Betracht. Da die wirtschaftliche Information keine Hauptleistungspflicht aus dem Behandlungsvertrag darstellt, sondern eine Nebenpflicht, steht nicht der Honorar­anspruch des Arztes in Rede, sondern es ist Sache des Patienten, seinen Schadensanspruch zu begründen.

Einer Beweislastumkehr haben die BGH-Richter eine Absage erteilt:  Eine Beweislastumkehr setze voraus, dass es nur eine bestimmte Möglichkeit gebe, sich „aufklärungsrichtig“ zu verhalten, d.h. nur eine Entscheidung die einzig vernünftige sei. Die wirtschaftliche Aufklärung sei im Unterschied zur Aufklärung über die mit einer Behandlung verbundenen gesundheitlichen Risiken nicht darauf gerichtet, den Patienten von einer potentiell mit Gefahren für Leib oder Leben verbundenen medizinischen Behandlung abzuhalten. Bei einer ausschließlich wirtschaftlich relevanten Information könne es nicht nur das eine „aufklärungsrichtige“ Verhalten geben. Dies verdient Zustimmung und ist auch mit einem Blick auf die Ausnahmevorschrift für die Beweislastumkehr bei fehlender Risikoaufklärung in § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB konsequent, denn eine solche Vorschrift fehlt für die wirtschaftliche Aufklärung.

Ausnahmen von der Informationspflicht

Ausnahmen von der Informationspflicht ergeben sich aus § 630c Abs. 4 BGB. Danach bedarf es der Information des Patienten nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat. In erster Linie ist hier an Notfälle zu denken. Daneben ist auch ein Verzicht des Patienten möglich, an den aber hohe Anforderungen gestellt werden. Dass der Gesetzgeber diese Aufzählung als nicht abschließend verstanden wissen möchte, hat er durch den Zusatz „insbesondere“ ausgedrückt. Der BGH weist in seinem Urteil darauf hin, dass der Arzt den Beweis für einen Ausnahmefall erbringen müsse.

Rechtsfolge fehlender/unzureichender wirtschaftlicher Aufklärung

Sofern der Patient wirtschaftlich nicht ausreichend informiert wird, obwohl dies erforderlich war, verletzt der Arzt zwar nur eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, jedoch kann der Patient, sofern er seiner Beweislast nachkommt (s. o.), dem Honoraranspruch des Arztes seinen Schadensersatzanspruch entgegenhalten.

Fazit

In der forensischen Praxis dominieren Fragen der ärztlichen Aufklärung über die Risiken einer Behandlung. Gleichwohl raten wir dazu, stets auch die Frage nach einer wirtschaftlichen Aufklärung/Information in den Blick zu nehmen. Wird ein Patient nicht hinreichend wirtschaftlich informiert, begründet dies einen Schadensersatzanspruch, was ggf. faktisch dazu führen kann, dass das Honorar nicht mit Erfolg beansprucht werden kann. Wir stehen Ihnen zu Fragen rund um dieses Thema zur Verfügung und lassen Ihnen bei Bedarf gern ein Muster einer wirtschaftlichen Aufklärung zukommen.

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Ausgabe: 04/2020

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