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Gesicht einer jungen Frau mit blauer OP-Maske

Was uns die Krise lehrt

Nicht unumstritten: Manch ein Bundesland rüttelt längst an der im April 2020 eingeführten Maskenpflicht. Foto: © alexanderuhrin - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)

Vieles wird seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie infrage gestellt, ist weiterhin ungewiss oder stellt uns vor ungekannte Herausforderungen. Was längst deutlich wurde: Kaum einer hätte es für möglich gehalten, dass eine Pandemie die Weltbevölkerung mit solch einer Härte treffen könnte. Dementsprechend zeigte sich auch in vielen Krankenhäusern, Gesundheitsämtern sowie Pflege- und Altenheimen, dass es an Unterstützung und Koordinierung sowie an einer Aufwertung des Pflegeberufs mangelt.

In einem sogenannten „SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019“ beleuchtet das Robert Koch-Institut (RKI) die wesentlichen epidemiologischen Aspekte des SARS-CoV-2-Erregers und führt entsprechende Parameter auf: Hauptübertragungsweg: Tröpfcheninfektion/Aerosole. Altersmedian: 49 Jahre. Häufige Symptome: unter anderem Husten, Fieber, Schnupfen, Störung des Geruchssinns. Risikogruppe: vor allem Ältere und Vorerkrankte. Faktenwissen, das sich über die Wochen und Monate der Pandemie in unseren Köpfen längst manifestiert hat. Im öffentlichen Leben steht nach der Aufhebung des Lockdowns das Einhalten eines Mindestabstands von 1,5 Metern (mehr oder weniger) auf der Tagesordnung; der Begriff „Alltagsmaske“ umschreibt zudem treffend, dass ein Mundschutz mittlerweile im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Standard zählt. Es scheint, als meistere Deutschland die Coronakrise besser als manch anderes Land. Und doch lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Wie stand es beim Ausbruch der ersten Infektionswelle in den Krankenhäusern um so Grundlegendes wie Schutzkleidung, Atemmasken und Desinfektionsmittel? Alexander Haering ist am Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Kompetenzbereich „Gesundheit“ tätig – von Beginn an hat der Gesundheitsökonom die Entwicklung der Pandemie hierzulande verfolgt: „Es ist richtig, dass es vielerorts zu einer Knappheit an Schutzmasken und Desinfektionsmitteln kam. Jedoch ist hier zu beachten, dass man in vielen Ländern, so wie auch in Deutschland, keine Erfahrungen mit einer Pandemie dieser Größenordnung hatte. Zum Vergleich: Vor 1973, dem Jahr des Ölpreisschocks, wäre wahrscheinlich auch niemand auf die Idee gekommen, dass strategische Ölreserven nötig sein könnten. Hier heißt es jetzt, für die Zukunft zu lernen.“

Doch gerade bei diesem Blick nach vorn zeigt sich, dass eine wichtige Einrichtung zuletzt eher rückwärtsgewandt behandelt wurde: das Gesundheitsamt. Vor allem zu Beginn der Krankheitswelle übernahmen diese Häuser eine wichtige Rolle bei der Eindämmung der Pandemie – nur jeder sechste Coronapatient kam in Deutschland ins Krankenhaus, während es etwa in Frankreich zwei von drei Erkrankten waren. Allerdings: Bilder von überlaufenen Diagnostikstellen und Hilfesuchenden in langen Schlangen vor den Gesundheitsämtern gingen im März durch die hiesige Presselandschaft. „Ähnlich wie im Fall der Knappheit bei Schutzmasken und Desinfektionsmitteln ist zu beachten, dass wir in Deutschland noch keine Erfahrungen mit einer Pandemie in dieser Größenordnung hatten“, gibt Alexander Haering zu bedenken. „Auch hier gilt es, aus der Krise zu lernen.“ Was konkret heißt: die Gesundheitsämter in ihrer Bedeutung wieder zu stärken, sie technisch und auch personell zu verbessern. Anders als bei einer Tätigkeit im Krankenhaus beispielsweise, werden Ärzte in einem Gesundheitsamt nach Normaltarifen des Öffentlichen Dienstes bezahlt.

Nicht genügend Beatmungsgeräte

Im erwähnten Steckbrief greift das RKI in der Folge auch die Dauer bis zu einer Hospitalisierung von Coronaerkrankten auf. Diese werde nicht allein durch den Verlauf und die Schwere der Erkrankung beeinflusst. Vielmehr spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel die lokale Verfügbarkeit, Leistungsfähigkeit und Struktur der medizinischen Versorgung vor Ort. Womit das Thema „Beatmungsgeräte“ in den Fokus rückt: Denn rückblickend lässt sich sagen, dass viele Covidpatienten verlegt werden mussten, weil das entsprechende Krankenhaus nicht über Beatmungsplätze verfügte. Ist hier eine Regulierung in Sachen Verteilung und Mindestausstattung notwendig? Oder überhaupt möglich? Alexander Haering: „Die Tatsache, dass zu Beginn der Pandemie vielerorts nicht klar war, wie viele Beatmungsgeräte vorhanden sind, hat mich sehr erstaunt. Ich denke, hier wäre schon viel erreicht, wenn wir im Zuge der Digitalisierung eine Meldeplattform schaffen, sodass eine »Inventur« jederzeit möglich ist.“ Dann, so der Gesundheitsökonom, würde sich auch eine Mindestausstattung erübrigen, da nicht jede Fachabteilung Beatmungsgeräte vorhalten muss, welche doch die meiste Zeit ungenutzt blieben. „Durch eine Inventarisierung wäre es möglich, Geräte nach Bedarf zu verschieben“, so Haering.

Wertschätzung des Pflegeberufs

Neben den Gesundheitsämtern und der Struktur der medizinischen Versorgung gerieten auch die Pflegeberufe wieder vermehrt in die öffentliche Wahrnehmung (siehe auch Artikel S. 12). Ob in den Krankenhäusern oder besonders in den Pflegeheimen: Es fehlt an angemessenen Löhnen sowie Anerkennung des Personals. Viele Stellen sind nicht besetzt, dabei benötigt es perspektivisch gesehen sogar mehr Pflegekräfte als aktuell vorhanden – dies wiederum ist nur durch eine Attraktivitätssteigerung zu erzielen. Dabei dreht sich übrigens nicht alles ums liebe Geld, sondern eben auch um die Wertschätzung des Berufs: „Natürlich sind höhere Löhne für den Pflegeberuf wichtig. Doch müssen wir hier den Pflegerinnen und Pflegern auch abseits von Gehaltserhöhungen die Arbeit erleichtern“, so Alexander Haering. „Eine bessere personelle Ausstattung kann dafür sorgen, dass Dienste geregelt laufen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss sich attraktiver gestalten.“ Mit Blick auf neue Konzepte sei das Beispiel der in England eingeführten „best practice nurse“ zu nennen: „Also Pflegeexpertinnen und -experten, die mehr Befugnisse besitzen und in ihren Entscheidungskompetenzen somit »dichter« an den Ärztinnen und Ärzten sind.“

Seit dem 27. Januar 2020 ist die COVID-19-Pandemie in Deutschland präsent: Bei einem 33-jährigen Mitarbeiter eines oberbayerischen Autoteileherstellers wurde erstmals das Virus festgestellt. Bewertete das Robert Koch-Institut vier Wochen später das Risiko der Pandemie für die Bevölkerung noch als „gering bis mäßig“, stufte es dieses ab dem 17. März als „hoch“, und für Risikogruppen seit dem 26. März gar als „sehr hoch“ ein. Eine Diskussion darüber, ob der Lockdown hierzulande zu zögerlich kam, ist rückblickend müßig. Die merklich höheren Todesfallzahlen in Italien, Spanien, Frankreich oder den USA sprechen eine eigene Sprache. Was aber nicht von der Hand zu weisen ist: Die Coronakrise hat aufgedeckt, an welchen Stellschrauben es im Gesundheitssystem zu drehen gilt. Denn in Sachen Koordination und Vorbereitung besteht Aufholbedarf – und das nicht nur mit Blick auf eine mögliche zweite Infektionswelle.

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Ausgabe: 03/2020

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