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Drei Frauen in Sportkleidung und Schutzhelmen rempeln sich gegenseitig im Rahmen eines sportlichen Wettkampfes an

Es darf gerempelt werden

Eine Mischung aus Taktik und Vollkontakt: Beim Roller Derby geht es ordentlich zur Sache. Foto: © Thorsten Lasrich
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Sie heißen Berlin Wallbreakers, Munich Dynamite oder RuhrPott Roller Girls – Teams der Deutschen Roller Derby Bundesliga. Bei dieser Sportart auf Rollschuhen treffen Kondition, körperliche Belastung und teils harte Rempeleien aufeinander. Erstmals 1935 in den USA als wildes Ausdauerrennen inszeniert, hat sich die Disziplin über die Dekaden professionalisiert und ist im Jahr 2006 auch in Deutschland angekommen. Der in der Hauptsache von Frauen ausgeübte Vollkontaktsport besticht neben taktischem Anspruch auch durch seine Showelemente.

Eine ovale, flache Bahn („Track“), auf der zwei Teams mit je vier „Blockerinnen“ und einer „Jammerin“ gegeneinander antreten. Dies tun sie in mehreren Runden („Jams“), die jeweils maximal zwei Minuten dauern – auf Rollschuhen geht es gegen den Uhrzeigersinn um Punkte. Roller Derby lebt neben seiner Schnelligkeit und der benötigten Agilität vor allem vom Zusammenhalt innerhalb der Teams, schließlich ist es nur mit einer gemeinschaftlichen Taktik möglich, als offensive „Jammerin“ die defensiven „Blockerinnen“ zu überholen und somit Zählbares einzufahren. Eine Begegnung („Bout“) wird in zwei Hälfen à 30 Minuten ausgetragen; zur Ausstattung der Spielerinnen gehören Knie-, Ellbogen- und Handschützer sowie Helm und Mundschutz. Als der Sport noch in seinen Kinder(roll)schuhen steckte, gaben viele Spielerinnen und Spieler schnell auf, da häufige Verletzungen und totale Erschöpfung an der Tagesordnung waren. Der geistige Vater der Roller Derby-Events – Sportpromoter Leo A. Setzer – überarbeitete das Konzept und rückte in den 1940er-Jahren den Showcharakter in den Fokus. Fortan entwickelte sich der Sport dank Rempeleien und Schubsereien zum publikumswirksamen Spektakel. Erst rund um die Jahrtausendwende besann man sich in Roller Derby-Kreisen wieder mehr aufs Sportliche – heute steht vor allem der Wettkampfaspekt im Mittelpunkt.

Mitbestimmung und Gemeinschaftsgefühl

Stefanie Knippertz (37) hat vor über zehn Jahren mit anderen Interessierten das in Essen angesiedelte Team der RuhrPott Roller Girls ins Leben gerufen. Sie zeichnet die Entwicklung nach: „Der Sport ist definitiv – im Gegensatz zur Form wie er 2006 nach Deutschland und Europa kam – ernsthafter geworden. Ernsthafter in dem Sinne, dass er wie eigentlich jede andere Sportart von einem Verband organisiert wird und es einen regelmäßigen Spielbetrieb sowie Anforderungen an die Vereine gibt. Einer der wichtigsten und besonderen Werte des Roller Derby ist aber nach wie vor die Mitbestimmung und Gestaltung des Sports durch die Aktiven auf allen Ebenen. Das Gemeinschaftsgefühl eben.“ Und dieses äußert sich vor allem in der Do-it-yourself-Mentalität der Sportlerinnen: „by the skaters, for the skaters“, lautet die Devise. So tragen die Mitglieder vieler Teams vor den Rennen Gesichtsbemalungen auf; auch besitzen die Spielerinnen allesamt Kampfnamen. Bei den RuhrPott Roller Girls schnallen sich etwa Bella Knockarella, Hulkie Frankenstein und Kamikaze Queen die Rollschuhe an. Stefanie Knippertz (Kampfname: D.I. Die) erinnert sich an die ersten Berührungspunkte mit ihrer Leidenschaft: „Ich fand Rollschuhlaufen schon immer toll, besaß auch Rollschuhe vom Flohmarkt, wusste aber nie so richtig, was ich damit anfangen soll. In einer amerikanischen Zeitschrift habe ich dann zum ersten Mal etwas über diese verrückte Sportart, bei der starke Frauen sich auf Rollschuhen bekämpfen, gelesen.“ Heute schätzt Knippertz besonders die Kombination aus Vollkontakt und anspruchsvoller Taktik, geht es doch darum, mit vollem Körpereinsatz Gegnerin um Gegnerin zu überholen.

„Blaue Flecken haben wir alle, immer“

Die Professionalisierung von Roller Derby hat dafür gesorgt, dass mittlerweile Weltmeisterschaften und mehrere größere europäische Turniere ausgetragen werden. In Deutschland spielen jeweils bis zu sieben Teams in der ersten, zweiten und dritten Bundesliga; die offiziellen Regeln gibt der Weltverband „Woman's Flat Track Derby Association“ heraus. Zum Spielbetrieb gehören auch zahlreiche Offizielle, die etwa Punkte zählen oder Strafzeiten („Penalties“) vergeben. Letztere werden notwendig, wenn die Definition von „Vollkontakt“ etwas zu weit ausgelegt wird. Soll heißen: Erlaubt ist das aktive Blocken mit Schultern, Hüften, Rücken, Gesäß oder der Vorderseite. Untersagt sind hingegen Festhalten, Schubsen, gezieltes Wegschieben sowie das Blocken in den Rücken oder im Kopf- und Halsbereich. Die Unterarme ab der Ellbogen dürfen ebenfalls nicht zum Einsatz kommen. Neben den erwähnten Strafzeiten drohen auch sofortige Ausschlüsse vom Spiel. Da drängt sich die Frage nach größeren Verletzungen auf: „Typisch sind natürlich Prellungen, die alltäglich, aber harmlos sind“, so Stefanie Knippertz. „Blaue Flecken haben wir alle, immer. Auch kommt es oft zu Verletzungen von Sehnen, Bändern und Muskeln. Die Häufigkeit lässt sich aber durch konsequentes, zusätzliches Kraft- und Mobilitätstraining, das wir auch anbieten, etwas einschränken.“ Und Knochenbrüche? „Die kommen natürlich vor, aber auch nicht öfter als in anderen Sportarten“, macht D. I. Die ihrem martialischen Namen gelassen alle Ehre.

Wer sich von dieser charmanten Ruppigkeit nicht abschrecken lässt, ist in der Szene herzlich willkommen: Denn trotz der stetigen Weiterentwicklung ist Roller Derby längst kein Sport der Massen. Nachwuchs ist daher gerngesehen. Stefanie Knippertz weiß zudem um die ein oder andere Hürde: „Man benötigt nun mal Rollschuhe, Schoner und einen Helm. Auch eignen sich nicht alle Sportstätten beziehungsweise sind manche nicht für Rollsport freigegeben. Als Verein bauen wir aber Barrieren ab, indem wir beispielsweise Rollschuhe zur Probe verleihen oder die Kosten für Auswärtsfahrten übernehmen. Zweimal im Jahr veranstalten wir außerdem Kennlerntage, zu denen alle Interessierten eingeladen sind.“ Bella Knockarella, Hulkie Frankenstein und Kamikaze Queen freuen sich jederzeit über neue Mitstreiterinnen.

ruhrpottrollerderby.de

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