Zum Hauptinhalt
Grafik: Figur mit Haarausfall

Haarausfall nach einer Coronainfektion?

Foto: © Rudzhan - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Die Gründe für Haarausfall sind vielfältig und nicht immer sofort ersichtlich. Stressige oder belastende Lebensphasen werden als Beschleuniger für einen Verlust angeführt; Gleiches gilt für hormonelle Schwankungen wie Störungen der Schilddrüse. Seit einiger Zeit steht auch eine überstandene Infektion mit dem Coronavirus in Verdacht, noch Monate später die Haare bzw. deren Wurzeln in Mitleidenschaft zu ziehen. Die gute Nachricht: Diese Form des diffusen Haarausfalls ist meist reversibel. 

Die Anzeichen sprechen eine klare Sprache: Die Haare auf dem Kopf werden gleichmäßig dünner und die Kopfhaut schimmert verstärkt hindurch. Diffuser Haarausfall, auch Telogenes Effluvium genannt, tritt bei den meisten Betroffenen etwa drei bis sechs Monate nach einem schädigenden Ereignis auf. Das kann beispielsweise ein akuter Eisenmangel oder auch eine hormonelle Umstellung sein. In vielen Fällen geht dem unerwarteten Haarverlust eine schwere körperliche Infektion voraus. Bei der Diagnose spielen dann ganz unterschiedliche Faktoren eine Rolle: So wirft der Dermatologe einen Blick auf die Kranken- und Familiengeschichte des Patienten, untersucht Haut, Haare und Nägel und wendet einen Zupftest an. Auch der gesundheitliche Zustand der Kopfhaut wird im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe genommen.

Dr. Thorben Royeck von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) zeichnet den „Lebensweg” der Haare nach, welcher aus drei Phasen besteht: „Das Haar befindet sich zu Beginn eines Lebenszyklus in der Wachstumsphase (Anagene Phase), die mehrere Jahre andauert. Anschließend folgt eine Übergangsphase (Katagene Phase), in der das Haar nur wenige Wochen verbleibt. Zum Ende des Lebenszyklus wechselt das Haar in die Ausfallphase (Telogene Phase). Hier fällt es in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten aus.” Dass sich in der Regel bis zu 15 Prozent unseres Hauptes stets in diesem dritten Stadium befindet (telogene Phase), bezeichnet der Experte als Normalzustand. Anders verhält es sich im Falle der eingangs erwähnten schädigenden Ereignisse: „Diese sorgen dafür, dass ein bestimmter Prozentsatz der Haare aus der Wachstumsphase in die Ausfallphase »herüber geschossen« wird”, so Royeck. „Bis das Haar dann tatsächlich ausfällt, können bis zu sechs Monate vergehen – es handelt sich daher keinesfalls um einen Prozess weniger Wochen.”  Lediglich durch den Einsatz toxischer Substanzen, etwa bei einer Chemotherapie, können Haare bereits in kürzester Zeit ausfallen.

COVID-Infektion bedingt Haarausfall

Um einen fortschreitenden diffusen Haarausfall rechtzeitig identifizieren zu können, braucht es Aufmerksamkeit: Finden sich beispielsweise plötzlich deutlich mehr Haare als gewöhnlich in der Bürste oder auf dem Kopfkissen, sollte eine ärztliche Abklärung stattfinden. Dr. Thorben Royeck betont: „Uns dürfen pro Tag durchaus 100 bis 150 Haare ausfallen, dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert.” Wichtig sei daher zusätzlich der genaue Blick auf die Kopfhaut: „Stehen die Haare nicht mehr wie gewohnt dicht nebeneinander? Erblickt man Rötungen? Kleine Pusteln oder Schuppungen? All diese Signale verlangen eine Untersuchung beim Dermatologen.” Dieser geht bei der Ursachenforschung Schritt für Schritt vor: Liegt eine Entzündungsreaktion vor? Falls ja – eher im vorderen, seitlichen oder hinteren Bereich der Kopfhaut? Sind Vernarbungen sichtbar? Zeigen sich Dichteminderungen oder sogar kahle Stellen? Zur Diagnose eines nichtentzündlichen Telogenen Effluviums bietet sich ergänzend eine Mikronährstoffanalyse an, auch spielen Hormonschwankungen, etwa der Schilddrüsenhormone, eine Rolle. Und auch vorangegangene Infektionen sollten erörtert werden.

Folgerichtig stellt sich die Frage, ob auch eine COVID-19-Erkrankung Haarausfall begünstigen kann, bringt diese doch mitunter Auswirkungen auf den ganzen Körper – auch auf Organe und Gefäße – mit sich. Nicht zuletzt stellt die Virusinfektion eine starke Stress- und Belastungssituation für den menschlichen Körper dar. Dr. Thorben Royeck nennt zwei verschiedene Erscheinungsbilder von Haarausfall, die tatsächlich in Verbindung mit Corona stehen: „Als eine schwere Erkrankung für den Körper löst die Infektion am häufigsten ein Telogenes Effluvium aus. Ähnlich verhielt es sich ja schon zuvor mit anderen Viruserkrankungen wie der Influenza. Auch Corona sorgt für die Ausschüttung verschiedener Botenstoffe, die beim Haar die Ausfallphase einleiten können. Im Falle einer COVID-Erkrankung geschieht dies rund zwei Monate nach der Infektion.” Auf der anderen Seite sei laut dem Bonner Dermatologen oft die Verschlechterung einer bereits bestehenden Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall) festzustellen – ein coronabedingtes Auslösen dieser Autoimmunerkrankung hingegen selten.

Haar wächst wieder nach

Eine weitere Frage hinsichtlich der Haarausfallmuster durch Corona ist der mögliche Zusammenhang zwischen Schweregrad der Erkrankung und Verlauf des Ausfalls. Dr. Thorben Royeck: „Die Vermutung »Je schwerer die Infektion, desto beträchtlicher der Haarausfall« liegt nahe, konnte aber bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. So sind durchaus schwere Telogene Effluvia nach vermeintlich leichten Verläufen bekannt. Aus unserer Haarsprechstunde am UKB wissen wir jedoch, dass Patienten, die etwa nach einer Infektion auf der Intensivstation lagen, unter einem stärkeren diffusen Haarausfall litten oder leiden, als jene, die nur einen leichten Verlauf hatten.” Studientechnisch, so der Experte, sei dies jedoch noch nicht gänzlich nachgewiesen.

Wie jede andere Form des Telogenen Effluviums ist auch der covidbedingte Haarausfall – so die derzeitige Annahme – reversibel. Aktuelle Studiendaten unterstützen diese Vermutung. Dr. Thorben Royeck weiß zu berichten: „Bei einem Großteil der Fälle, die wir hier im Universitätsklinikum Bonn behandelt haben, ist das Haar wieder normal nachgewachsen. Da ist allerdings ein langer Atem gefragt!” So dauert es eben nicht nur bis zu sechs Monate, bis der Haarverlust nach einer Corona-Infektion eintritt. Auch das Wiedererlangen der gewohnten Dichte auf dem Kopf vollzieht sich ähnlich zögerlich – bis zu 18 Monate können da ins Land ziehen. Umso wichtiger sei es laut Royeck, Geduld an den Tag zu legen und gleichzeitig auf die Anwendung fragwürdiger Anti-Haarausfall-Lotionen zu verzichten: „Der Wechsel von der anagenen in die telogene Phase ist bislang durch kein Präparat der Welt nachweisbar aufzuhalten”, verdeutlicht der Mediziner. „Ein Haar, das sich einmal dazu entschlossen hat, in diese Ausfallphase zu wechseln, lässt sich nicht mit einem »Lasso« festhalten. Eine entsprechende Therapie braucht es aber auch nicht, da es sich wie erwähnt um einen reversiblen Haarverlust handelt.”

Optimale Bedingungen schaffen

Mit diesem Wissen gilt es für Betroffene, mit Zuversicht nach vorn zu blicken und optimale Bedingungen für neuen Haarwuchs zu schaffen. Eine entsprechende Stellschraube ist beispielsweise der Verzicht aufs Rauchen, schadet dies doch den Blutgefäßen, die die Haarfollikel versorgen. Auch das Vermeiden von Stress und damit verbundenen Schlafmangel kann günstige Voraussetzungen für wiedererlangtes Wachstum schaffen. Hinzu kommt das erwähnte Gegenchecken der wichtigsten Mikronährstoffe wie Vitamin D3, Zink, Biotin Jod und Eisen – Letzteres ist vor allem bei einer vegetarischen Ernährung essentiell. Befinden sich diese Werte allesamt in einem idealen Bereich, ist bereits ein wichtiger Schritt zurück zur gewohnten Haarpracht getan.

ukbonn.de

dermatologie.uni-bonn.de

Neuer Vereinsvorstand und Aufsichtsrat gewählt
JHV 2024

Neuer Vereinsvorstand und Aufsichtsrat gewählt

Am 21. August 2024 fand in der Hauptverwaltung der PVS in Mülheim an der Ruhr die Jahreshauptversammlung des Privatärztliche VerrechnungsStelle Rhein-Ruhr/Berlin-Brandenburg e. V. statt.

Mehr erfahren
Notfälle bei Schnee, Eis und Kälte
Erste Hilfe in der Winterzeit

Notfälle bei Schnee, Eis und Kälte

Mit sinkenden Temperaturen steigt das Risiko für bestimmte Unfälle und Verletzungen – sei es beim Skifahren, auf zugefrorenen Gewässern oder in der Silvesternacht.

Mehr erfahren