Das brandneue Smartphone gerät nach nur wenigen Monaten zum überholten Elektroschrott und die euphorisch gekauften Klamotten landen schon bald ganz hinten im Schrank: Nur kurz scheint es anzuhalten, das durch Konsum erlangte Glück. Unsere Sucht nach Neuem macht sich dabei nicht nur auf dem Konto bemerkbar – sie belastet auch die Umwelt. In ihrem Buch „Ich brauche nicht mehr“ zeigt die Journalistin Ines Maria Eckermann auf, wie wir Konsumgelassenheit und somit nachhaltiges Glück erlangen können.
Manch einer erhofft sich, das schnelle Glück in Ratgebern zu finden. Hat aber nicht jeder Mensch eine andere Vorstellung von Glück?
Ines Maria Eckermann: Das halte ich auch für schwierig – ein Buch kann da bestenfalls erste Ideen und Ansätze liefern. Meines Erachtens ist Glück eine Lebenseinstellung, zu der man sich vielleicht etwas anlesen kann. Verinnerlichen muss man es jedoch letztlich selber.
Auch der Kauf einer Ware kann für Glücksgefühle sorgen. Wie lange halten diese an?
Manche Menschen glauben, dass bestimmte Dinge sie glücklich machen können. Und für gewisse Dinge scheint das sogar zu stimmen, denn manche Studien zeigten, dass bestimmte Gegenstände uns tatsächlich glücklicher machen können, wenn unser Lebensstandard zuvor sehr niedrig war. Allerdings hält dieser Effekt im Schnitt nur für drei bis sechs Monate. Der Mensch gewöhnt sich recht schnell an neue Umstände, seien es schlechte oder eben auch gute. In der Regel überschätzen wir aber den Effekt einer Neuanschaffung auf unsere Lebensqualität.
Bei Instagram und Co. scheinen materielle Dinge zudem den Zweck des Imponierens zu erfüllen …
Wir sind soziale Wesen, möchten letztlich „dazugehören“ und Teil einer Gruppe sein. In sozialen Netzwerken bekommen wir diese Art der Anerkennung schnell: Neurologische Untersuchungen legen nah, dass Likes für ein Foto oder ein Posting zu Dopaminausschüttungen im Gehirn führen können. Der Sinn der Plattform ist es ja, sich nach außen zu inszenieren. Deshalb muss das, was wir dort posten, nicht zwingend auch der Realität entsprechen. Manchmal reden oder posten wir uns auf solchen Plattformen auch unser eigenes Leben schöner oder zumindest anders als es ist.
Neue Kleidungsstücke werden nur einmal getragen und Bücher stehen ungelesen im Regal: Wieso wird aus einem Hochgefühl so schnell Langeweile?
Die neuen Dinge verlieren ihren Reiz, wenn sie eine Zeit lang im Regal stehen und eben nicht mehr neu sind. Manchmal überschätzt man sich auch vielleicht. Auf der letzten Frankfurter Buchmesse habe ich beispielsweise Menschen mit Trolleys gesehen, vollgepackt mit neuen Büchern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Zeit haben, diese alle in naher Zukunft zu lesen.
Ein imposantes Bücherregal kann ja auch ein Statussymbol sein …
Ich denke, manchmal kaufen wir etwas, mit dem wir uns zu einer bestimmten Version von uns selbst machen wollen. Im Falle der vollen Bücherregale kann das zum Beispiel sein, dass wir besonders belesen wirken möchten. Meist holt uns die Realität da jedoch schnell ein, wenn uns schlichtweg die Zeit zum Lesen fehlt.
Im Buch umschreiben Sie sehr treffend die sogenannte „fear of missing out“ – was macht diese Angst, etwas zu verpassen, mit uns?
Diese Angst ist ja durchaus etwas Menschliches und nichts Neues. Nicht zuletzt aber durch die sozialen Medien fällt uns heutzutage viel mehr auf, was da draußen in der Stadt alles passiert. Wir können uns an einem einzigen Tag zwischen 20 verschiedenen Angeboten entscheiden, wie wir unsere Freizeit gestalten möchten. Trotzdem können wir gleichzeitig nur ein Leben leben. Das ist eine absolute Quelle für Stress, besonders für junge Menschen.
Auch mit Blick auf unser Konsumverhalten?
Beim Konsum ist es vielleicht weniger das Gefühl, etwas zu verpassen, als vielmehr, dass wir nicht mehr up-to-date sind oder rückständig auf andere wirken könnten. Deshalb haben manche Menschen auch das Gefühl, dass ihr neues Smartphone nach nur wenigen Monaten überholt ist. Die Anbieter befeuern dieses Gefühl mit entsprechenden Verträgen, sodass man jedes Jahr ein neues Smartphone bekommen kann. Auch hier denken viele Konsumenten, dass sie mithalten und sich dieses Statussymbol sichern müssen – und der Markt bedient diesen Wunsch.
Hinzu kommt heutzutage dieses „Alles-ist-verfügbar“-Gefühl, das durch Flatrate-Angebote und Streaming-Dienste begünstigt wird.
Das Gefühl, etwas zu verpassen, wird so tatsächlich vielleicht noch etwas verschärft. Schließlich müssen wir heute auf kaum etwas noch warten. Die Kinder der 1980er-Jahre sind die letzte Generation, die noch etwas mit dem Begriff „Sendeschluss“ anfangen kann. Das Gefühl, dass nicht alles sofort und gleichzeitig verfügbar ist, können wir uns also nur durch Selbstdisziplin selbst wiedergeben, indem wir eine künstliche Verknappung schaffen. Anstatt sich mittels „Binge-Watching“ an einem Wochenende eine komplette Serie reinzuziehen, könnte man sich einmal die Woche mit Freunden treffen und gemeinsam eine Folge schauen. Solche Rituale scheinen momentan etwas verloren zu gehen.
Sie rücken im Buch auch das Thema „Nachhaltigkeit“ in den Fokus. Wie sieht es etwa beim Reisen aus?
Gerade beim Reisen merkt man, dass Nachhaltigkeit gut für uns sein kann: Vor einigen Wochen habe ich Urlaub in Amsterdam gemacht. Dorthin kommt man mit dem Zug viel entspannter als mit dem Auto: keine anstrengende Fahrt, keine Parkplatzsuche in der Stadt und unterwegs kann man ganz entspannt rausschauen und zugucken, wie sich die Landschaft langsam verändert.
Unterschätzen wir da manchmal die Macht der eigenen Handlung?
Manchmal unterschätzen wir unseren Einfluss – und manchmal überschätzen wir ihn. Dadurch rechtfertigen wir uns schon mal unseren Öko-Fußabdruck passend. Es bringt beispielsweise wenig, wenn wir immer einen Mehrweg-Metallstrohhalm dabeihaben, um keinen aus Plastik benutzen zu müssen, auf der anderen Seite aber keinen ökologischen Widerspruch darin sehen, gleich zwei Autos in der Garage stehen zu haben. Das rechtfertigt man sich dann gerne mit Sätzen wie „So schlimm ist das nicht“ oder „Das machen doch alle.“ Wenn wir wirklich nachhaltig leben möchten, sollten wir es sehen, wie mit einer Diät: Wir können eine Veränderung unseres alltäglichen Lebens nur durchhalten, wenn wir auch wirklich Spaß daran haben und einen Effekt sehen.
Oft läuft es auf die einfache Formel „Weniger ist mehr“ hinaus. Dazu schreiben Sie: „So zu leben heißt, Ballast loszulassen.“ Wie geht man da am besten vor?
Besonders wenn wir umziehen fällt auf, wie viele Dinge wir tatsächlich in unserem Zuhause haben. Dann fragt man sich: Was habe ich alles – und benötige ich das wirklich? Brauche ich wirklich drei Suppenkellen? Oft denken wir, dass wir etwas in der Zukunft noch brauchen könnten oder es wieder anziehen wollen. Um auch solche Dinge loslassen zu können, helfen sogenannte Tauschpartys, zu denen jeder mitbringt, wofür er keine Verwendung mehr hat. Wenn die zu eng gewordene Lieblingsjacke einen Abnehmer aus dem Freundeskreis findet, macht es sogar richtig Freude, solche Dinge abzugeben.